Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
ihn diese Fertigkeiten gelehrt hatte. Der Bossu verriete es nicht.
Fortwährend hatte der Kleine schon auf dem Weg hierher vor sich hingebrabbelt, was er auch jetzt wieder tat, während die Spielleute angespannt auf jeden menschlichen Ton lauschten, der von draußen zu ihnen hereindrang. Aber es war sonderbar still im Burghof an diesem frühen Abend, nur die Schafe im Pferch nebenan scharrten unruhig und blökten.
Plötzlich, als ob er den Schafen hätte antworten wollen, begann Villaines Magen laut zu knurren. Miquel und Fünfei prusteten verhalten. Der Bossu dreht sich zum Spielmann um und stieß ein blechernes Gelächter aus.
„Himmel, so lach doch nicht so laut, Dummkopf“, zischte Villaine und rückte sich die Garbe Stroh zurecht, auf der er in gebückter Haltung saß. „Mit deinen Geschichten, die keiner versteht, wird mein Leib nicht satt. Zuhause hab ich einen Schinken im Salze …“
„Satt, satt …“ Der Bossu boxte ihn in die Seite und deutete auf den Eimer mit Wasser, den er ihnen hingestellt hatte. „Satt!“
„Ach, sag bloß, das ist alles, was du uns zu bieten hast?“
Der Bossu zuckte bedauernd die runden Schultern. „Òc, òc. Is alle, is alle!“
„Nun, zum Glück sind wir durch keinen Überfluss verweichlicht“, meinte Villaine trocken, was einen erneuten Heiterkeitsausbruch der Freunde hervorrief.
Alix` Herz wurde immer schwerer, je näher der Zeitpunkt ihrer Flucht rückte. Vor drei Tagen, als sie Villaines Antwort aus dem grünen Schuh gezogen hatte, war ihr vor Angst der Schweiß ausgebrochen. Wie hatte sie sich nur eine solche Geschichte ausdenken können! Aber nun gab kein Zurück mehr.
„Ach, Bruder Martin“, klagte sie, als ihr der Novize zum Abendessen Brot und Fleisch brachte. „Mein Messer schneidet so schlecht, würdet Ihr mir ein neues bringen? Nehmt dieses gleich mit, damit es auf den Schleifstein kommt.“
Martin runzelte die Stirn, als er kurz mit dem Daumen über die Klinge fuhr. Das Messer kam ihm keineswegs stumpf vor. Doch nachdem sich die Herrin dieser Tage so großzügig gezeigt hatte - er dachte an das Goldstück für die Armen -, rannte er rasch davon, um ihr das Gewünschte zu bringen.
Alix probierte das neue Messer auch gleich aus, und während Martin, angeblich weil ihr kalt war, etliches Holz in den Kamin schob und wartete, bis es ordentlich brannte, schnitt sie das Fleisch und das Brot in winzig kleine Stücke.
Als sich der Novize verabschiedete, rief sie ihn noch einmal zurück und schob ihm das hölzerne Brett mitsamt den Brocken hin. „Hier, Bruder, seid so liebenswürdig, nehmt es mit und werft es den Hunden vor, damit sie nicht wieder die ganze Nacht heulen, so dass man kein Auge zutun kann“, sagte sie, und wackelte dabei überaus albern mit dem Kopf. Zum Schluss spitzte sie auch noch die Lippen, als wenn sie Martin hätte küssen wollen. „Und bringt mir Wein, viel Wein!“
„Wein? Sagt, was ist mit Euch, Herrin?“ Verwundert schob Martin die Kapuze in den Nacken. Die Frau trank doch stets nur klares Wasser. Und weshalb benahm sie sich so komisch? Sie hatte doch keine schlechten Pilze gegessen? An lautes Hundegeheul in der letzten Nacht konnte er sich auch nicht erinnern! Seit er für die Bewachung dieser Frau eingeteilt worden war, schlief er in der Nähe der Hunde, in einer Kammer beim Eingang.
„Glotz mich nicht so dumm an, Kerl!“, fuhr sie ihn an. „Wein! Ich will Wein! Das liegt am Lorbeer. Der nickt mit den jungen Zweigen und bewegt wie ein Haupt den Wipfel! So steht es geschrieben. Er soll die Haut verschönern ...“.
„Der Lorbeer nickt …?“ Der Novize machte große Augen, lief zur Tür hinaus und riegelte ab.
Alix stürzte ihrerseits zur Truhe, riss all die herrlichen Gewänder heraus und warf sie auf einen großen Haufen. Obenauf legte sie Bartomeus Pelz. Dann zog sie sich bis auf Estrellas Rock und das weiße leinene Unterkleid aus, nahm das scharfe Messer in die Hand und schnitt sich beherzt - nach nur kurzem Zögern - dicht über der Kopfhaut, die Haare ab, wobei ihr die Tränen aus den Augen rannen.
„Eure Bischöfliche Gnaden“, rief Martin laut, nachdem er bereits dreimal ungeduldig an Sicards Tür geklopft hatte, „es ist wichtig!“ Vorsichtig drückte er die Tür einen Spalt auf.
Sicard lag fahl und angespannt auf seinem Lager und stöhnte. Auf dem Tisch ein Kruzifix und eine brennende Kerze. Einer seiner Priester saß neben dem Bett und las ihm aus der Heiligen Schrift vor. Der Zustand des
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