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Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Alix ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Bischofs hatte sich extrem verschlechtert, ja Sicard hatte seit Bartomeus Abreise offenbar noch keine Stunde verbracht, in der er nicht an seinen bevorstehenden Tod gedacht hatte. Beide Beine waren inzwischen nicht nur dick angeschwollen, sondern blauschwarz, obwohl die Ärzte sie ständig hoch gelagert und Essigwickel verordnet hatten.
    „Was ist denn, Martin?“, flüsterte der Bischof angestrengt und warf ihm einen müden Blick zu.
    „Die Herrin oben …“, der Novize hatte einen feuerroten Kopf vor Aufregung. „Sie … sie“, stammelte er.
    „So sprich doch!“
    „Ehrwürdiger Vater, sie ist plötzlich so sonderbar“, platzte es aus dem Novizen heraus und er erzählte Sicard, was vorgefallen war.
    Der Bischof zog die Stirn in Falten. „Sie spricht von einem nickenden Lorbeerbaum?“ Er richtete sich mit Hilfe des Priesters ein wenig auf. „Lass sie nicht aus den Augen, hörst du? Du bist mir für sie verantwortlich. Begib dich wieder hinauf und sag ihr, ich hätte dir verboten, ihr Wein zu bringen. Und vergiss nur ja nicht, sie einzuschließen!“
    Martin nickte und eilte nach oben, zwei Stufen auf einmal nehmend.
    Als er den Riegel zurückzog und eintrat, traute er seinen Augen kaum. Dicker schwarzer Qualm drang ihm entgegen. Er hustete, wedelte mit den Armen, damit er etwas sehen konnte. Die Samtvorhänge um das Bett brannten lichterloh, das Bettzeug selbst züngelte an mehreren Stellen, wie auch ein Haufen Gewänder auf dem Boden. Daneben - noch unversehrt - lagen büschelweise lange dunkle Haare. Und die Frau war weg!
    Heilige Maria, Mutter Gottes! Martin lief ins Stiegenhaus zurück und schrie mehrmals „Feueriooo!“ - so laut, dass es alle hören konnten. Dann kehrte er ins Gemach zurück, um die junge Frau zu suchen. Er sei für sie verantwortlich, hatte der Bischof gesagt … Doch wo steckte sie? Der beißende Qualm brannte in seinen Augen, reizte seine Kehle. Es war kaum auszuhalten. Rasch zog er eines der noch unversehrten Gewänder aus dem Haufen hervor, um es sich vor Mund und Nase zu halten. Dann riss er sämtliche Truhen und Kästen auf, um nachzusehen, ob sie sich darin versteckte.
    Nichts.
    Das Feuer prasselte heftiger, es griff bereits auf die Deckenbalken über. Martin stürzte hinaus, in den seitlichen Gang zur Latrine. Am Ende war der Frau schlecht geworden. Doch auch hier - nichts! Vielleicht hatte sie sich auf das Dach gerettet?
    So schnell er konnte, tauchte Martin sein Gesicht, die Arme sowie das Gewand in den Wassertrog. Dann kletterte er die Leiter hoch und schöpfte erst einmal tief Luft. Als sich seine tränenden Augen halbwegs an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er sie. Vielmehr, er hörte sie zuerst, bevor er sie sah: In ihren Wahnvorstellungen verfangen, turnte sie wie ein Gespenst im weißen Unterkleid auf der Brüstung herum und sang mit süßer Stimme das Tedeum: „ … tibi cherubim et seraphim incessabili voce proclamant …“
    Sie lachte kurz auf, als sie Martin entdeckte, bewegte beide Arme auf und ab, als ob sie jeden Augenblick davonzufliegen gedächte, sang weiter und weiter: „Sanctus, Sanctus, Sanctus Dominus Deus Sabaoth, pleni sunt caeli et terra maiestatis gloriae tuae!
    Martin war entsetzt. Die Herrin war verrückt geworden und drauf und dran, sich in die Tiefe zu stürzen. Das konnte er nicht zulassen.

    Als Martins Ruf durch das Stiegenhaus gellte und sofort von vielen Kehlen weitergetragen wurde, waren die Spielleute mit einem Schlag hellwach.
    „Heiliger Ezechiel, es geht los! Rasch, schiebt mich zur Luke hin“, sagte Miquel ganz aufgeregt. Er öffnete die Klappe und spähte hinaus. „Ja, es ist so weit! Helle Flammen schlagen aus dem obersten Stockwerk des Turms! Alles ist in großer Aufregung! Die Feuerglocke ertönt ebenfalls, hört ihr es? Sie tragen Wassereimer hinein! Bilden bereits eine Kette!“
    Villaine rüttelte den Bossu wach, der inzwischen, zusammengerollt wie ein Igel, den Schlaf des Gerechten schlief. „Los, aufgewacht, Buckliger. Lauf zum Turm hinüber und sieh, ob du ihr helfen kannst!“ Sie öffneten die Tür des Verschlags nur soweit, dass der Bossu sich durchzwängen konnte, dann verschluckte ihn die Nacht.
    Die Spielleute warteten.
    Irgendwann war das Feuer im Turm gelöscht, und alle Aufregung schien sich gelegt zu haben. Aber der Bossu kam nicht zurück.
    Keiner gab es zu, doch sie waren alle zutiefst beunruhigt.
    „Verdammt, wo bleibt nur diese nichtsnutzige Kröte!“ Miquels Nacken war schon ganz steif, aber er

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