Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
nicht lange. Obwohl man mit den hiesigen Christen gleiches Brot aß und gleichen Wein trank, konnte und wollte man hier nicht länger leben. Alles Übel der Welt schiebe man ihnen in die Schuhe, hatte Moses Itzhak vor Pelfort geklagt, und gemeint, dass sich Löw nie und nimmer für „das liederliche Weibsstück des Erzbischofs“ die Hände schmutzig machen, sondern ihr lieber sofort die Tür hätte zeigen sollen. Dass die Geschäfte stark rückläufig seien - er klagte vor allem über die lombardischen Geldwechsler und die Tempelritter -, erleichtere ihnen den Auszug.
Bischof Sicard hielt sie nicht zurück. Im Gegenteil schien er froh zu sein, die Juden loszuwerden, vermutlich entlastete ihr Weggang sein Gewissen.
„Fahrt hin, in Gottes Namen, auf dass es Euch wohlergehe“, sagte er mit gebrochener Stimme und mehr tot als lebendig zu Itzhak, als dieser alle noch offenen Steuern und Abgaben der ausziehenden Familien beglich. Der letzte Rest des Eindrucks, dass sich Sicard in der Grausamkeit von Bartomeu unterschied, war zerstört.
Als Pelfort hörte, dass die jüdischen Familien nach Béziers ziehen wollten, wo sie Verwandte hatten, ließ er sich ein weiteres Mal bei Moses Itzhak melden. Doch die Mauer aus Argwohn war so schnell wie eine Geißblattranke in die Höhe gewachsen, als er sein Anliegen vorbrachte.
Itzhak lehnte es rundweg ab, Alix aus der Stadt zu schaffen. Erst als ihm Pelfort erklärte, dass es sich bei dieser Frau um die Schwägerin des Vizegrafen von Carcassonne und Béziers handelte, hatte der Jude eingelenkt. Soviel „Salz“ habe er noch im Kopf, hatte er gemeint, um zu wissen, dass es im Ermessen des Trencavels lag, ob sie sich in Béziers niederlassen durften oder nicht.
„Sie kann mit uns fahren, Sénher“, waren seine Worte gewesen, „aber ich bin nicht froh darüber.“
Meister Villaine stand vor der Höhle und beobachtete aufmerksam die Gegend.
Ringsum war alles ruhig. Nirgendwo Berittene, weder auf der Straße, die unten am Berg vorbeiführte, noch auf den schmalen Pfaden, die er von hier aus einsehen konnte.
Ein Regentropfen klatschte auf seine Stirn. Mit skeptischem Blick sah er zum Himmel hinauf. „Nun, trübe Wolken sind selten ohne Regen“, murmelte er lakonisch, als es plötzlich im Stechginster, der den Eingang zur Höhle fast völlig verdeckte, auffällig raschelte.
Villaine stutzte. Ein merkwürdiges Schnaufen? ... Ein wildes Tier? Pelfort fiel ihm ein, der von einem Panther gesprochen hatte, mit Bärenfüßen und einem Rachen wie eines Löwen Rachen ... Villaine wischte sich die feuchten Hände am Wams ab, bückte sich, griff zum Messer, das im rechten Stiefel steckte.
Da teilten sich plötzlich die Ruten des Ginsterstrauches, doch statt eines Fuchses oder vielleicht eines Wildschweins - einen Panther mit Bärenfüßen hatte Villaine nie ernsthaft in Erwägung gezogen - kam ein kleiner Kerl zum Vorschein, der über das ganze breite Gesicht strahlte.
„Bossu, Bossu!“, sagte der Bucklige zur Begrüßung. Er griff in seine Pumphose, zog ein verknittertes Pergament heraus und reichte es dem Spielmann.
Villaine schnalzte mit der Zunge. Dann sah er sich ein weiteres Mal vorsichtig nach allen Seiten um. Nichts, außer, dass es noch immer tröpfelte.
„Komm mit!“ Er packte den Kleinen am nicht vorhandenen Kragen, lief mit ihm zwei Schritte in die Höhle hinein und pfiff nach seinen Freunden.
Während er auf die Spielleute wartete - sie fütterten die Pferde, die sie im Inneren der Höhle an Auftropfsteinen festgebunden hatten -, versuchte der Bucklige mit allerlei Verrenkungen Villaines Griff zu entkommen. Er quiekte, kratzte und spuckte, wollte gar einmal in den Arm des Spielmanns beißen, doch der ließ ihn nicht aus.
Fünfei und Miquel erschraken, als sie im Eingangsbereich der Höhle zwei dunkle Schemen miteinander ringen sahen. Villaine schubste ihnen den Bossu zu. „Haltet das Untier für eine Weile fest“, sagte er schroff. „Ich bin gleich zurück.“
Mit diesen Worten lief er noch einmal hinaus, ins Licht, um die Nachricht zu lesen.
Dann befahl er, den Bossu freizulassen. Der Bucklige stieß ein zufriedenes Grunzen aus, ging in die Hocke, rieb sich sein Genick.
Villaine seufzte und verdrehte die Augen. „Leute, wir müssen ihn mitnehmen!“
„Was? Das kann doch nicht dein Ernst sein“, rief Miquel entrüstet.
„Nun, sie will es so haben, die Stoppelhaarige. Der Kretin mag sich auf das Maultier setzen, jedoch mit einer Decke über dem
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