Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Mägde hatten bis zum Boden herabhängende weiße Tücher aufgelegt, die frech der Wind aufbauschte; sie waren mit Maien und Kränzen geziert. Damit das Linnen nicht davonflog, standen obenauf schwere Tonkrüge, gefüllt mit Bauernblumen. Entlang der schattenspendenden Burgmauer gab es weitere Tische, auf denen sich Schach- und andere Brettspiele zur Unterhaltung der Gäste befanden. Das Geschirr war ländlich-bescheiden: Hölzerne Teller, Becher aus Ton, dazu Salzfässer aus kleinen Brotlaiben gefertigt, in die man oben ein Loch geschnitten hatte. Unter einem Zelt mit blau-goldener Schabracke, die das Wappen der Burgherren zierte, ein Fass mit Wein.
„Die Cabarets genießen ihre Tage“, hatte Raymond zu seiner Frau gesagt, „aber sie protzen nicht!“
Fröhlich wurde zu Tisch geblasen. Wie üblich zogen die Ritter, nachdem sie Platz genommen hatten, ihre persönlichen Messer aus der Scheide, darunter auch Prachtstücke aus dem Heiligen Land, und legten sie vor sich auf die Tafel. Für einige ein willkommener Anlass, um miteinander ins Gespräch zu kommen und Vergleiche anzustellen.
Als die Weinbecher gefüllt waren, das frische Brot gebrochen, und die mit Speck umwickelten Täubchen aufgetragen wurden, fühlte sich Inés plötzlich rundum wohl, selbst der Schluckauf war seit dem Morgen nicht mehr aufgetreten, nachdem Jordan vor der Messe spöttisch gemeint hatte, dass diesen doch nur bekäme, wer viel gestohlen Brot äße. Sie sei sich diesbezüglich keiner Schuld bewusst, hatte ihm Inés zur Antwort gegeben und laut gelacht.
Bei Tisch plauderte sie zu Raymonds Überraschung mit jedermann, strahlte, lachte; ja, als Peters blutjunge Tochter, ein Rosenschapel auf der Stirn, das Näschen krauste, um dem verführerischen Duft des Öls nach Rosmarin, Thymian und Lavendel nachzuspüren, mit dem die Küchenjungen den am Spieß brutzelnden Ochsen bestrichen, tat sie es ihr gleich.
Jordan von Cabaret, der Inés dabei beobachtet hatte, packte, als der Grüne Zweig ihn erreichte, die Gelegenheit beim Schopf, um eine seiner Anekdoten zum Besten zu geben. Eines Tages, so erzählte er, hätte man dem Gesandten Karls des Großen an der Tafel des Kaisers von Byzanz einen Fisch aufgelegt, der mit einer besonders würzigen Soße bedeckt war, die ihm augenblicklich in die Nase stieg. Neugierig hatte der Gesandte den Schwanz des Fisches angehoben und den Fisch gewendet, um nachzusehen, wie er von unten beschaffen war.
„Vermutlich hat er nach den Gräten Ausschau gehalten“, warf lachend der Trencavel ein.
„Gleichwie“, fuhr Jordan fort, „allein das Wenden des Fisches erzürnte einen Höfling. Dieser stand auf, nahm dem Gesandten den Teller ab und rannte zum Kaiser hin, um Beschwerde einzureichen. Doch bellt ein Hund, so kläffen auch die anderen … Im Nu forderten alle, dass diese Beleidigung die Tötung des Gesandten nach sich ziehen müsse.“
Ein gespieltes Aufraunen ging durch die Reihen der Gäste. Sie kannten ihren Part. Alle Augen waren wie gebannt auf Jordan gerichtet, der seinerseits - die Arme vor der Brust verschränkt - mit einer kunstvoll eingelegten Pause die Spannung auf ihren Höhepunkt trieb.
„Wie hat denn nun der Ärmste seinen Kopf aus der Schlinge gezogen?“ Brunissende, die Gemahlin Peter von Cabarets, eine hübsche, etwas dralle Frau, trug als einzige ihr Haar aufgesteckt. Ihre silbernen Flechten waren von einem gleichfarbigen, engmaschigen Netz gehalten. Sie stupste Jordan mit dem Ellbogen in die Seite.
„Nun, meine liebe Brunissende, der Gesandte bat um die Erfüllung eines allerletzten Wunsches, bevor man ihn tötete.“
„Ein allerletzter Wunsch?“ Die herbstolze Wölfin, die sich vor dem Essen eine Pfauenfeder ins Haar gesteckt hatte, die nun bei jeder Bewegung ihres Kopfes wippte, seufzte laut und übertrieben. „Eine Liebesnacht mit einem schönen Weib?“
Jetzt lachten die Gäste laut, und selbst die Mundwinkel der Diener, die gerade Schüsseln mit gedünsteten Sauerkirschen und Birnen auftrugen, und alles mitangehört hatten, zuckten verdächtig.
„Falsch, meine holde Gemahlin“, gab Jordan zurück und reichte rasch den Grünen Zweig weiter, damit ein anderer eine Geschichte erzählte oder ein Lied sang, wie es guter Brauch war. „Der letzte Wunsch des Gesandten lautete …“, er machte erneut eine Pause und sah fragend in die Runde derer, die ihn erwartungsvoll ansahen. „Er lautete“, fuhr er schmunzelnd fort, „dass jeder, der ihn beim Wenden des unseligen Fisches
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