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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Erdmann
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derselben Himmelsrichtung zugewandt, doch stand SIE der Sonne näher, die hinter den rauchenden Fabrikschloten kaum glaubhaft in fernöstlichen Farben unterging.
    POLISH YOUR WINDOW, DON’T BLOCK OUT YOUR VIEW
    Nicht die Sicht versperren! Aber da schob sich schon der massige Leib eines Zeitgenossen zwischen Aljoscha und die Katzenmenschenfrau. Nicht zu fassen! Die kostbarsten aller Minuten waren angebrochen, und eine Landplage brach aus!
    TAKE THIS DARING LEAP
    Geh beiseite, Bruder, wenn du deine Seele nicht bei allen Erzengeln in Mißkredit bringen willst!
    WAKE, YOU’VE BEEN ASLEEP
    Man glaubt an das Gute im Menschen, bis einem die Menschen das Gute links und rechts um die Ohren hauen!
    GO ATTACK YOUR LIFE
    Gehe hin zur Ameise, du Fauler! Siehe ihre Weise an und lerne!
    THE PAINT IS PEELING, SCRAPE TO SAVE WHAT’S YOURS
    Nichts zu machen. Aljoscha drehte die Musik in seinem Walkman terrorisierend laut. Vielleicht half Hilfssheriff James Osterberg. Iggy Pop sang „Shades“.
    Heureka! Das war das Mittel! Heinrich der Überbreite wälzte sich von hinnen, stieg in Woroprod aus und schien auf einmal sehr viel weniger massiv, aber Dickheit entsteht eben in Situation. Nur noch eine Station bis Dobropol. Würde SIE wieder dort aussteigen? Was, wenn SIE dort ausstieg?
    Intensiver mit jedem flüchtigen Blick fühlte er IHRE Ausstrahlung, zusammengesetzt aus Unantastbarkeit, Dämonie und ätherischem Zauber. Er verwirrte sich am Luxus IHRER äußeren Erscheinung… wäre SIE eine dieser Damen, die der Geheimdienst in die Hotels schickt, hätte die Gegenseite schon längst keine Geheimnisse mehr. Aber da war etwas Undefinierbares, das sich zu dieser Mondänität verhielt wie die eine Frau in Weiß zur anderen Frau in Weiß, wie die verlassene, verwirrte Anne Catherick zu ihrer Doppelgängerin, der eleganten Laura Fairlie; etwas, das nicht mit femininem Charme den Zeichenlehrer betört, sondern sich bei Nacht auf Friedhöfen herumtreibt.
    YOU CAN BE MY GIRLFRIEND FOREVER AND A DAY
    Nicht-Tun. Nur die geheimnisvoll mächtige Wirkung IHRER Nähe. Man konnte es nicht einmal Zurückhaltung nennen. Passivität in ihrer höchsten Erscheinungsform. Es war, als würde man von jemandem aus unnennbarer Entfernung ans Kreuz geschlagen. SIE erschien einfach, wie um zu sagen: Du bist mein Besitz. Du hast das Äußerste verlangt, jetzt verlange ich es von dir. Um ihn denken zu lassen: ich bin besessen von ihr. Um ihn darauf vorzubereiten, daß es von jetzt an alle Schatten zu verjagen galt aus der Umgebung IHRES Throns. Was sollte er nur tun, wenn SIE gleich ausstieg? Er würde den ganzen Abend Leid und Elend in Absinth ertränken wollen. Er würde Gehirnschnuller aus dem Radio brauchen. Er würde es schaffen, noch im Schlaf jähzornig gegen die Zeit zu sein und gegen sich selbst, weil er wieder eine Woche auf SIE warten mußte.
    Die Metro verlangsamte die Fahrt. Die Entscheidung verlangte zu fallen.
    AND THE LIGHT THAT BLINDS MY EYES
    Die Räder standen still.
    SHINES FROM YOU
    SIE stieg aus.
    Und eilte davon mit der Zielstrebigkeit, die den Gang einer Frau kennzeichnen kann, selbst wenn es ein Nirgendwohin-Gang ist.
    THE OTHER GUYS ARE IN TROUBLE
    THEY WOULDN’T LISTEN TO A GIRL LIKE YOU
    Was? Was sagte Hilfssheriff Pop da? Die anderen Kerle sind schlecht dran, sie wollten einem Mädchen wie dir nie zuhören?
    Komm schon, Doc, es ist nur ein Lied. Nur ein verdammter Song.
    Wohin ging SIE jetzt? Jedenfalls nicht nirgendwohin. SIE wohnte hier, oder SIE stattete jemandem regelmäßige Besuche ab. Vielleicht betrat SIE, wenn der grüne Mantel abgelegt war, ein düsteres Kabinett? Half IHR eine katzenäugige Zofe in beunruhigende Kostüme? Nannte SIE je IHREN wahren Namen? Auf verschwiegene, unvermutete Art wollüstig und sogar ausschweifend – reiß dich zusammen, Doc. Es war nur ein alter magischer Text.
    Trüber Gedanke, daß SIE hier womöglich jemanden besuchte. Gerade so trübe wie die Vorstellung, daß jemand SIE besuchte, nachdem der grüne Mantel abgelegt war. Aber das war noch nicht der Gipfel des trüben Gedankengutes. Erst mit der Erkenntnis, daß SIE irgendwie liiert sein mußte, stand der Achttausender des Trübsinns ganz vollendet da, und Aljoscha saß obenauf wie der Mann, dessen Geschäft es ist, sich alle Hiobsbotschaften auszudenken, die in einen Tag passen. Jawohl, SIE war liiert; wenn nicht, dann hatte die Welt den Verstand verloren. Aljoscha Tuschkin wenigstens hatte ihn verloren.

15
    Der nächste Tag war Trauer-

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