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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Erdmann
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Leber gelaufen, Junge!
    DER JUNGE MANN. Warum fürchtete das christliche Mittelalter die Katze so sehr?
    DER ALTE MANN. Weil ihr Gebaren undurchsichtig ist. Weil man sie nicht besitzen kann. Und weil sie Laute des Wohlbehagens von sich gibt, wenn man sie streichelt, Sack Zement! (Erregt) Die Amazone des Verzichts greift sich das zuckende Wesen! Fesselndes Lächeln, Bedeutungsmadonna in Stiefeln, der Gnadenschnorrer findet Absatz! Nymphomane Göttin! Eine Frau, deren Neigungen ihn zu einem Gott machen! Ja! Nein! Werft den Prügelknaben ins Interim! Er soll verschmachten! Ich verhänge ein Embargo für alle Bindeglieder! Hokuspokus! (Sich fassend) Da du schon hier bist, junger Spund: was sind eigentlich Niedrigfreibeträge für Ehegattensplitting?
    DER JUNGE MANN. Ich fürchte, Sie sind nicht ganz bei der Sache.
    DER ALTE MANN. Oho! Jetzt soll ich wohl sachlich bleiben, was? Das kannst du haben, Sohn! Warum nicht gleich? Also zur Sache! Wir sind uns hier ganz zufällig (Hehech! Kch! Kch!) ganz zufällig begegnet, so wie sich manchmal zwei Blätter im selben Augenblick vom Baume lösen und zur Erde fallen… ich will dir Trost gewähren in der… in der… na…
    DER JUNGE MANN. Not? Schwäche? Zwickmühle?
    DER ALTE MANN. In der Interferenz. Ich will dir Trost gewähren in der Interferenz. Warum, Kleingläubiger, zweifelst du daran, daß alles, was sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort zuträgt, für dich geschieht?
    DER JUNGE MANN. Ich wage nicht daran zu glauben, weil ich es mir nicht erklären kann.
    DER ALTE MANN. Immer wollt ihr Erklärungen. Liegt in der Erklärung denn das Korn, das eine Braut ernährt?
    DER JUNGE MANN. Eine Braut, Vater?
    DER ALTE MANN. … murmel murmel… post noctem claritas… äh, was habe ich gerade gesagt? Welcher Brautvater? Was wurde eigentlich aus Friedrich Rückert?
    DER JUNGE MANN. Wer?
    DER ALTE MANN. Dieser Dichter, der meinte, friedlich ins Grab gehen zu können, nachdem er gesehen habe, wie sich die Beine einer gewissen Ballettänzerin bis zum Himmel erhoben! Was wurde aus dem?
    DER JUNGE MANN. Ich weiß es nicht. Tut mir leid, keine Ahnung.
    DER ALTE MANN. Jetzt hör mir mal zu, mein Sohn.
    DER JUNGE MANN. Ich höre ja, Vater.
    DER ALTE MANN. Ich sage dir, wer bis zum Ende festbleibt, wird gerettet.
    DER JUNGE MANN. Dann bin ich verloren.
    DER ALTE MANN. Du mißverstehst. Nicht da, wo du vermeinst, wird deine Festigkeit geprüft. Du bist getauft mit Vorgefühl und markiert mit dem Erkennungszeichen. Vergiß das nicht!
    DER JUNGE MANN. Wenn es kein Irrtum ist, dann ist es hoffnungslos. Wenn es nicht hoffnungslos ist, dann ist es Verrücktheit. Ich darf nicht länger Sklave meiner Unvernunft sein. Ich habe ein Leben zu leben, Vater!
    DER ALTE MANN. Und deine Stärke ist noch nicht erprobt! Wogegen willst du dich auflehnen? Gegen Gewalten, die das ewige Werden erregen? Gegen das Meer der Ursachen? Gegen die Form der Buchstaben im Buch der Prüfungen? Gegen das erbarmungslose Erbarmen?
    DER JUNGE MANN. Vater, das sind seltsame Worte.
    DER ALTE MANN. Es ist ein seltsames Leben.
    DER JUNGE MANN. Aber –
    DER ALTE MANN. Das Ende ist noch nicht gekommen. Das ist alles, was du wissen mußt!
    DER JUNGE MANN. (Verliert seinen Hut vom Kopfe) Oh! (Bückt sich, um ihn aufzuheben) Aber sagen Sie mir doch –
    DER ALTE MANN. Ich denke nicht daran!
    DER JUNGE MANN. Gleichwohl könnten Sie!
    DER ALTE MANN. Niemals, und schon gar nicht jetzt!
    DER JUNGE MANN. Ich bestehe darauf!
    DER ALTE MANN. Vergeblich!
    DER JUNGE MANN. (Setzt seinen Hut wieder auf) Dann guten Tag!
    Der Hut, plötzlich wie aus Stein, versetzt einen Schlag. Wie Knöchel gegen Schädel.
    Den zweiten Kopf nannte Pjotr Das gespaltene Bewußtsein. Bewußtsein ist ein Zustand, der zwei Zustände zugleich ist. Psychisches Erleben findet in zwei Hälften statt, der Gartenhälfte und der Dschungelhälfte.
    Auf der einen Seite wohlgepflegte Ordnung, angenehm und überschaubar. Macheten schlugen Schneisen hier, doch die Tage der Pioniere sind lang vorbei. Es ist jetzt nahezu unmöglich, von den Wegen abzuirren, deren lineare Muster vorbedacht und nachbedacht und daher leicht durchdenkbar sind. Man schreitet fort von einem Punkt zum nächsten mit logischer Notwendigkeit. Auf, nicht in die Dinge sehend, das ist Ratio. Man sieht nicht in die Tiefen einer Kiefer hier. Das Verlangen nach Einheit und Vertrautheit prägt verstehbare Strukturen in das Vorgefundene, und nichts Vorgefundenes entgeht der Strukturierung. Symmetrie beruhigt den

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