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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Erdmann
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Und Diogenes, dieser Rumlungerer, dieser Tellerwäscher? Wir wollen doch nicht vergessen, daß Platon fast auf dem Sklavenmarkt verramscht worden wäre, was?
    DER JUNGE MANN. Nein, nein.
    DER ALTE MANN. Matthäus der Evangelist. Identisch oder auch nicht identisch mit einem der zwölf Apostel, bitte, die Herren Magister und Doktoren ziehen deswegen noch an ihren Bärten. Du kannst michauch Levi nennen, wenn dir das Spaß macht, ich habe nichts dagegen. Levi auch nicht. Tja, hehe… ja. Man gewöhnt sich an diese Dinge.
    DER JUNGE MANN. Ich glaube Ihnen kein Wort!
    DER ALTE MANN. Wer bis zum Ende festbleibt, wird gerettet! – Ist von mir, dieses Diktum.
    DER JUNGE MANN. Das kann jeder sagen.
    DER ALTE MANN. Wer bis zum Ende festbleibt, wird gerettet!
    DER JUNGE MANN. Meine Güte!
    DER ALTE MANN. Erinnerst du dich denn nicht?
    DER JUNGE MANN. An was?
    DER ALTE MANN. Es ist dir entfallen! Du hast es vergessen, du Tropf!
    DER JUNGE MANN. Was habe ich vergessen?
    DER ALTE MANN. Wer bis zum Ende festbleibt, wird gerettet!
    DER JUNGE MANN. Wie sollte ich es vergessen, wenn Sie es alle fünf Sekunden wiederholen!
    DER ALTE MANN. Es ist dein Segensspruch, vorwitziges junges Blut! Da schreibt man den Schäfchen ein heiliges Wort ins Lebensbuch, aber kaum ist das weiße Hemd ausgezogen –
    DER JUNGE MANN. Stimmt, jetzt erinnere ich mich… Matthäus 24, 13…
    DER ALTE MANN. Ah! Aha! Brav, brav! Du hast also das Fauchen nicht gehört?
    DER JUNGE MANN. Nein… aber sagen Sie, wovor muß ich denn gerettet werden?
    DER ALTE MANN. Wie wovor?
    DER JUNGE MANN. Nun, man muß doch vor etwas gerettet werden, nein?
    DER ALTE MANN. So wie Bewußtsein immer Bewußtsein von etwas sein muß, he?
    DER JUNGE MANN. Exakt!
    DER ALTE MANN. Der alte Phänomenologen-Kniff. Gewiß, vom intentionalen Standpunkt aus betrachtet –
    DER JUNGE MANN. Ich glaube, es war Husserl, der sagte –
    DER ALTE MANN. Zum Teufel mit Husserl! Ich, äh… hm. Jedenfalls, weit weg mit ihm! Das kommt heraus bei diesen Sophistereien! Willst du mir mit Logik kommen, Bursche? Es geht um dein Seelenheil!
    DER JUNGE MANN. Nach dem Jüngsten Gericht, meinen Sie?
    DER ALTE MANN. Ach was, auch hier!
    DER JUNGE MANN. Hier auf Erden?
    DER ALTE MANN. Jawohl! Hier im Chambre séparée des Großen Baumeisters!
    DER JUNGE MANN. Sie werden nicht mehr lang der alte Matthäus sein, wenn Sie weiter so mit dem Dogma ’rummodeln.
    DER ALTE MANN. Überlaß das mir, Bengel! Dein Verstand hockt da wie eine Eule und dreht sich in alle Richtungen und sieht doch nichts! Hast du denn immer noch nicht begriffen, daß du allen Verstand fahren lassen mußt?
    DER JUNGE MANN. Die zwei Groschen Verstand, die mir verblieben sind, auch noch stiften? Hat die Vorsehung denn kein Mitleid mit den wirklich Bedürftigen?
    DER ALTE MANN. Wir wollen doch sachlich bleiben.
    DER JUNGE MANN. Warum? Wir sind keine Sachen.
    DER ALTE MANN. Ja, da fällt mir eine Geschichte ein – dieser Descartes, du weißt schon, der Philosoph Descartes, der große Descartes, ja! Oho! Sooo groß war er, der Herr Descartes! Hielt sich für was Besseres! Ich zweifele, also bin ich, was? Mhm, mhm, trag ruhig die lange Nase hoch, René Descartes! Bei der Gelegenheit… ich höre, du gibst dich dem Kartenspiel hin?
    DER JUNGE MANN. Nur den Tarotkarten, manchmal.
    DER ALTE MANN. Ach… na dann. Ich dachte schon.
    DER JUNGE MANN. Was war nun mit Descartes?
    DER ALTE MANN. Wie? Ah, der ! Niemand hat ihn je vor dem Mittagessen gesehen, den großen Monsieur Descartes. Ging später zu Bett als Beelzebub und schlief bis zum Mittag. Glaubte wohl, bei Nacht lassen sich Weltbilder leichter auf den Kopf stellen! Wie dem auch sei. Die Königin von Schweden rief Descartes an ihren Hof. Da holte er sich Frostbeulen und mußte jeden Morgen im Dunkeln aufstehen. Und so starb er denn recht bald. Das war eine große Umstellung für ihn.
    DER JUNGE MANN. Der Tod?
    DER ALTE MANN. Schweden, du Strohkopf. Los, wir spielen Philosophenraten! (Kramt einen Zettel hervor und liest) Von wem ist das: „Wir verlangen nicht nach einer Sache, weil wir sie zuvor gesehen haben, sondern umgekehrt: weil wir schon vorher im tiefsten diese Art von Dingen vorgezogen haben, gehen wir mit unseren Sinnen in der Welt nach ihnen auf die Suche.“ Na?
    DER JUNGE MANN. Das ist von Ortega y Gasset.
    DER ALTE MANN. (Steckt den Zettel wieder ein) Hm. Viel Spaß macht das gerade nicht mit dir.
    DER JUNGE MANN. Darf ich Sie etwas fragen, Vater?
    DER ALTE MANN. Nur frei über die

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