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Alkor - Tagebuch 1989

Titel: Alkor - Tagebuch 1989 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Köthen sagte:«Ich bin noch nie in meinem Leben so empfangen worden.»- Ich denke, wenn ich damals so begrüßt worden wäre, 1956, dann hätte ich kein einziges Buch geschrieben. - Das Neue Forum verwahrt sich gegen die Ausreiselösung, sie sei nur aus Propagandagründen erfolgt und nicht«rechtsstaatlich». Die Leute wollen sich wohl unbeliebt machen. - Einer der Flüchtlinge sagte:«Ich möchte endlich mal wissen, was ich kann.»
    Meine Fibel siecht dahin. Es wurden 955 Stück verkauft = 1800 Mark! Die Abrechnung kam heute. Das schöne Buch wird leider nur in der pädagogischen Abteilung der Buchhandlungen angeboten, wenn überhaupt! Nicht unter Kinderbüchern oder bei den anderen Kempowski-Büchern. Schade, ich find’s hübsch. Wir werden es nie herauskriegen, wieviele Kinder danach das Lesen lernten. In den SPD-Bundesländern ist es zum Gebrauch an Schulen nicht zugelassen. Eigenartig.
    Meinen großen Unglücksfällen lassen sich die Glücksfälle gegenüberstellen: gesund aus der Haft herausgekommen zu sein, eine liebe Frau und eine lebenserfüllende Arbeit gefunden zu haben.
    Ein Volkshochschulmann wollte sich mit mir streiten, Rostock läge in Westpommern, er als Geograph wisse das.
    Eine ältere Frau als Zugschaffnerin. Eine Wohltat, besser als diese jungen Schafsgesichter.

London
Di 3. Oktober 1989
    Bild: Prag: Wieder 3000 drin!/Der bittere Tag danach/Kinder niedergeknüppelt/Flüchtlinge angekettet/Dann gab die Polizei auf
    ND: Erich Honecker empfing Verleger Robert Maxwell
     
    Syberberg meint, die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten wäre eigentlich ein Kriegsgrund gewesen. Aber, wer hätte denn Krieg machen sollen?
    Interessant ist in diesem Zusammenhang die folgende Bemerkung des britischen Militärhistorikers Liddell Hart, vom 27. August 1939:
    Wenn die Polen sich entschließen, lieber zu kämpfen, als Hitlers Forderungen anzunehmen, so steht fest, daß sie nach nur kurzem Widerstand aus strategischen Gründen gezwungen sein werden, das geforderte Gebiet aufzugeben - und aller Wahrscheinlichkeit nach werden sie weit mehr als das hergeben müssen. Ebenso klar ist, daß Frankreich und Großbritannien nichts Wirkungsvolles tun können, um diesen Gebietsverlust zu verhindern; gleichzeitig ist es sehr zweifelhaft, ob selbst die äußersten militärischen Anstrengungen ihrerseits etwas zur Wiedergewinnung des Gebietes für Polen beitragen könnten.
     
    Bei nüchterner Betrachtung dieser strategischen Realitäten sollte die Frage erwogen werden, ob die polnische Regierung berechtigt ist, ihre Untertanen dazu aufzurufen, sich für etwas zu opfern, was sie in jedem Fall verlieren werde, und ob die britische und die französische Regierung das Recht haben, die polnische Regierung zum Kampf für etwas zu ermutigen, das sie aller Voraussicht nach nicht für Polen zurückgewinnen vermögen. Jedes Opfer mag besser sein als Kapitulation, aber lohnt es sich, zu kämpfen, wenn die Übergabe des Objektes, für das Krieg geführt wird, schon vor dem Beginn des Kampfes unvermeidlich scheint?
     
    Das wahrscheinlichste Ergebnis sich lange hinziehender Anstrengungen zur Wiederherstellung des polnischen Territoriums würde die wechselseitige Erschöpfung aller kriegführenden Länder sein, mit der Folge der Vorherrschaft Rußlands in Europa. Eine noch
dringendere Gefahr für Frankreich und Großbritannien liegt darin, daß der Beweis ihrer Unfähigkeit, Polen zu schützen, für sie einen Prestigeverlust in den Augen der Welt bedeuten wird, durch den andere, jetzt noch unschlüssige, angriffslustige Länder ermuntert werden dürften, sich mit Deutschland zu einer gemeinsamen Anstrengung zur Eroberung und Aufteilung der britischen und französischen Kolonialreiche zu verbünden …
     
    Es gibt nichts Verhängnisvolleres als die Neigung, etwas Aussichtsloses zu versuchen, in dem Gefühl, es wäre schön, wenn es gelänge …
    Im TV ein Interviewer und Gesprächspartner, die beide Schnupfen haben. Wer da als Zuschauer ebenfalls Schnupfen hatte, erlebte eine lustige Stunde.

London
Mi 4. Oktober 1989
    Bild: Kranker Kohl rief in Prag an/11 000 befreit/Die Erlösung
    ND: Treffen des Politbüros mit Widerstandskämpfern und Aktivisten der ersten Stunde
     
    Die katholische Kirche erinnert sich am heutigen Tage - wenn sie sich denn erinnert - an Franz von Assisi.

London / Nartum
Do 5. Oktober 1989
    Bild: DDR in größter Krise/Dresden, Plauen, Chemnitz/Tausende stürmten die Gleise nach Westen/Züge verriegelt wie

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