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Alkor - Tagebuch 1989

Titel: Alkor - Tagebuch 1989 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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allerdings nirgends entdecken können.
    Ich kaufte bei W + G Foyle Ltd«The World’s Greatest Bookshop»für 156 £«Echolot»-Bücher. Vera Mary Brittain; Tremayne, Julia:«The Homefront»; Gurney:«War Letters»- 1. WK.;«People at War»;«The Diary of a Bomb Aimer»;«Nuremberg Raid»;«Rough Road to Rome»;«Tebessa? Wherever’s that?»; Maureen Wells«Entertaining Eric»; Iris Origo u. v. a.
     
    Das Nationalmuseum, die alten flämischen Meister, Rembrandt-Weihnachtsbild.
    Tweed-Jacketts für 1500 Mark!
    Hotel war ungünstig gelegen, zu weit außerhalb. Hatte schon, wenn wir in die Stadt hineinfuhren, Panik, daß wir abends im Stau säßen und nicht mehr rauskommen.
    Der illegale Taxifahrer, der uns zum Flughafen fuhr und dann doppelten Preis wollte, weil wir ja zu zweit … Hat keinen Sinn, sich mit solchen Menschen anzulegen.
     
    Nartum: Habe nun angefangen, den Januar 1943 aufzubereiten. Hildegard hilft mir, sie liest Biographien und arbeitet mir zu. Ich kümmere mich mehr um die Prominenten. Was mir noch Kopfschmerzen macht: Die Anordnung der Beiträge innerhalb des Tages. Soll sie dialogisch erfolgen oder einfach geographisch? Ich neige dem ersteren zu. Im Grunde ist der Tagesbeginn mit Hitler und der Schluß mit Auschwitz schon der Anfang einer dialogischen Gestaltung.
    Die Ungarn haben ihre kommunistische Partei aufgelöst. Geschafft! Unglaublich. In der DDR wäre das undenkbar, es sind Deutsche: Rasen betreten verboten.
    Hildegard meinte:«Die wollen wohl China spielen!»als sie die SED-Polizisten sah. Gezeigt wurde ein junger Mann mit Platzwunde am Kopf. Ein anderer wies auf das Blut, was herunterrann, und sagte in die Kamera hinein:«Watt se hia sehn, is’n friedlicha Demonstrant.»Während sie Aufnahmen von vorstürmenden Polizisten zeigten, die hellen Schilde wie Flügel, dachte
ich an die Mai-Krawalle der Autonomen in Kreuzberg. Wo liegt der Unterschied? Wie sollte jemand, der die Ursachen nicht kennt, das auseinanderhalten? - Die Tatsache, daß die Ostsachen nicht gefilmt werden dürfen, ist eine Antwort. - Ein ekelhafter Anblick, die«Kommune-Preußen»vor der Neuen Wache im Stechschritt paradieren zu sehen. - Ein älterer Polizist, der einer jungen Frau den Weg vertritt, als sie in die Kirche will. Ja, da staunt sie, was? Ja, er läßt sie nun mal nicht rein, obwohl es ihr gutes Recht ist …
     
    Presse-Runde mit Grosser, Gaus, Leonhardt. Es ging darum, daß sie als demokratische Staatsbürger dem Honecker zu sehr um den Bart gegangen seien, dem Diktator, was ich ja immer sagte. Die Weltfrauen haben beschlossen, daß Emanzipation nicht bedeutet, dem Manne gleich zu sein.

Nartum
Fr 6. Oktober 1989
    Bild: Sie riefen es in Dresden, Plauen - überall/Deutschland Gorbi Freiheit
    ND: Kämpfer gegen den Faschismus, für Sozialismus und Frieden geehrt
     
    Frühstück allein auf der Galerie bei geöffneter Tür, es regnet, und ich höre dem Regen zu. Glücksgefühle. Dazu paßt nicht meine Lektüre (bei Orangenmarmelade). Von der Lippe:«Nürnberger Tagebuchnotizen». Ausgerechnet Jodl hat 16 Minuten am Strick gehangen, bis er endlich tot war! Er wird wohl bewußtlos gewesen sein. Als ich mich in Schwerin strangulierte, war das Bewußtsein auch gleich weg. - Tagebücher von Hans Frank.
    Ein Leser aus München gratuliert mir zu der Textunterlegung im«Tadellöser»:«Jahre des Lebens, alles vergebens …», damit sei mir ein Wurf gelungen. Ich hätte ein lebensvolles, aufrichtiges
Bild eines Deutschland gegeben, das mehr und mehr vor unseren Augen versinke.«Vielleicht ist es die Sehnsucht nach diesem Deutschland, die so viele anspricht …»
    «Echolot»: Texttrauben.
    Daß Friseusen sich nicht merken können, wo der Scheitel sitzt?
    «Sind Sie nicht der Mann, der immer die schönen Geschichten schreibt?»
    Abendländische Musik muß man in Amerika hören.

Nartum
Sa 7. Oktober 1989
    Bild: 1. Besuchstag: Es knistert in Ost-Berlin/Gorbi, Gorbi, hilf uns!/Drei kühle Küsse und Ermahnungen/Honecker geschminkt? / Trotzig sprach er: Totgesagte leben länger
     
    Hildegard kaufte mir Blumen. Ich kann mich nurmehr noch an ihrem Aussehen erfreuen, von Duft kann keine Rede sein. Am unteren Zweig hängt ein Beutel mit Nährlösung, die wird gratis dazugegeben. Wie der Futtersack vorm Maul des Droschkengauls.
    «Nürnberger Tagebuch»: Keitel hatte seine Zelle noch in Ordnung bringen wollen, und Göring fragte am Abend zuvor:«Lohnt es sich überhaupt, daß ich mich zur Nacht ausziehe?»Er hatte die Kapsel

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