Alkor - Tagebuch 1989
Ein blühender Stil, auch ihre Mutter.
In Schwaben haben die Republikaner zugelegt. Das ist wegen der Asylanten, glaube ich.
In der pädagogischen Vorlesung sagte ich:«Oh, wie gern habe ich die Kleinen unterrichtet, das war ein einziges Fest. Nach zwanzig Jahren allerdings hab’ ich dann aufgehört, da merkte ich, daß es Routine wird …»- Eine Studentin:«Das kommt wahrscheinlich daher, daß Sie ein Mann sind.»
Traniges Fischfilet. Mir schmeckt eigentlich gar nichts mehr. Guter Tee - das ist noch der einzige Trost. Sehr gutes Johannisbeergelee haben wir im Augenblick. Fünf Mark das Glas.
Nartum
Mo 23. Oktober 1989
Bild: So wurde Honecker erledigt
ND: Egon Krenz trifft sich mit Michail Gorbatschow / Dialog mit Demonstranten in Berlins Stadtzentrum
Bei«Ali Baba»Renate getroffen, sie wollte mich überraschen. Nett, gelungen.
Ich sagte zum Kellner:«Meine Tochter!»-«Jaja! Ich weiß …»Der«Spiegel»bringt das Sündenregister von Egon Krenz, er habe das chinesische Massaker verteidigt als einen menschlichen Akt zur Wiederherstellung der Ordnung. Als Wahlleiter habe er die Betrügereien bei den Kommunalwahlen im Mai zu verantworten (98,95 Prozent!). - Er sei 1,83 groß und 85 Kilo schwer. Interview mit Brandt: Er plädiert für das Wort« Neu vereinigung». Ein sonderbares Legitimitätsdenken gegenüber dem Schurkenstaat da drüben.
Christoph Hein meint, daß das Volk drüben am 7. und 8. Oktober zum aufrechten Volk geprügelt worden sei. - Er sagt, es habe bei den Demonstrationen in Dresden«kriminelle Ausschreitungen»
gegeben. Was meint er damit? Was bedeutet«kriminell»? Er verlangt, daß ehemalige DDR-Ärzte aus ihren«West-Praxen»entfernt werden, weil sie keine ethischen Gründe zum Verlassen der DDR gehabt hätten. Was meint er mit«ethischen Gründen»? Kennt er die Leute? Er glaubt, die DDR-Bürger (er selbst eingeschlossen) führen lieber mal durch Rom oder Paris als durchs Brandenburger Tor. Das hat mir einen Stich gegeben.
Er spricht von ständiger Abwerbung durch die BRD und stößt sich an dem Wort«Obhutspflicht»:
Stellen Sie sich vor, wenn Amerika jedem Mexikaner einen amerikanischen Paß geben [!] und noch erklären würde, bei Wohnung und Arbeit behilflicher zu sein als den eigenen Landsleuten - was würde mit Mexiko passieren? Was würde auch mit Westdeutschland passieren, wenn etwa die USA … dieses der westdeutschen Bevölkerung offerieren würde: Dann würden nicht nur die Arbeitslosen und Obdachlosen gehen, es würden auch jene Berufe gehen, die auch bei Ihnen gut beschäftigt sind, aber in den Staaten besser verdienen.
Eigenartige Verbiesterung. War der Mann Theologe? Was ist dagegen einzuwenden, daß Menschen gut verdienen? Der Mann ist irgendwie auf 180.
Behilflich - behilflicher - am behilflichsten.
Im«Spiegel»steht, daß in diesem Jahr 350 000 Spätaussiedler erwartet werden, dazu mehr als 100 000 DDR-Übersiedler.
Nartum
Di 24. Oktober 1989
Bild: Bonns größte Ehe-Affäre/Staatsministerin Irmgard Adam-Schwaetzer und ihr Mann haben sich getrennt Während sie bei Genscher im Einsatz war, spielte er lieber mit dem Computer/ Jetzt ausgewogene Trennung
ND: Was Berliner Kabelwerker vom nächsten ZK-Plenum erwarten
Heult der Wind ums Haus. Die Seelen - wo stecken sie am Tage ? Das ist doch ein Wissen , sie, die armen, der Nacht zuzugesellen. Ich sehe sie nicht als Neider, deshalb habe ich auch keine Angst vor ihnen. Sie warten ab, das ist es. - Ihre große Zahl.
Wir fuhren nach Hamburg, um dort die Produzentin der Tennis-Serie zu treffen. Ich bekam einen wunderbaren Scheck. Im«Möwenpick»füllte sie ihn aus, nach kurzem Zögern.
Vor Hamburg ein nervös machender Stau, wir kamen eine halbe Stunde zu spät.
Überm Dorf schweben Luftballons gegen Tiefflieger, von aufrechten Menschen in die Luft gelassen, bei uns schwebt auch einer, was mir nicht recht ist. - Das ganze Dorf ist durchzogen von gelben und roten Schnüren, Menschen haben sie gespannt, die nach Öl suchen, das sie mit kleinen Sprengungen zu orten hoffen.
Im TV der grobschlächtige Krenz. Beim Auszählen der Gegenstimmen: Sindermann:«Ich zähle 22 Gegenstimmen, was? 26? Also 26. Es soll bei uns ja mit rechten Dingen zugehen.»
Es wurde bei den Demonstrationen gerufen:«Wir fordern freie Wahlen.»
Nartum
Mi 2 5. Oktober 1989
Bild: DDR: Das Folterprotokoll/Ich mußte mich nackt ausziehen - dann schlugen sie zu/Alter Mann mit Kopf auf Pflaster gestoßen - immer wieder/Schwangere auf Bauch
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