Alkor - Tagebuch 1989
Bernhard schön gesungen.
Sein renoviertes und karg möbliertes Bauernschloß. Ein Interview aus dem Autofenster heraus. Erst will er nicht, dann doch. Rote Flecken im Gesicht.
Was ist morbus boeck ?
Längerer Aufsatz über Hermann Burger im«Spiegel», er wollte einen Ferrari von Frau Schoeller haben, was diese ihm abgeschlagen hat. Er war im Herbst 1985 hier, saß an der Hammondorgel und phantasierte. Ein angenehmer Mensch, der mich freundlich ansah. Goldene Kette um den Hals, goldene Brille, goldene Uhr, goldener Kugelschreiber. Ich fühlte mich hingezogen zu ihm, weil er mich mochte. Das war die«Tagung», in der Helga Novak rauslief und sich ostentativ zu Heini Helmers ins Gasthaus setzte. Ich glaub’, sie war betrunken, kleines betrunkenes Flattergespenst. Kommt rein und sagt:«Wo sind denn hier Kinder? Sind denn hier keine Kinder in diesem Haus?»Hildegard nannte sie deswegen eine«dumme Sau», was ich ein bißchen stark finde.
Irgendwas mit Island und einer Fischfabrik.
Robert Walser:«Aus dem Bleistiftgebiet.»Untertitel: Mikrogramme 1924/25. Für die Entzifferungsleistung dieses Manuskripts
sollte es einen speziellen Preis geben. Wenn ich Geld hätte, würde ich ihn stiften.
Tragisch: Die Publikation eines der Prosastücke wurde auf«nachdrücklichen Wunsch der Rechtsinhaberin und des Verlages aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen nicht gestattet.»Wenn man auch die abgedruckten Texte möglicherweise nicht alle liest, die nicht veröffentlichten erregen Neugier auf besondere Weise.
1999: «Das Journal der Beatrix Potter», Insel-Verlag. Die Entzifferung einer Geheimschrift.«Das Journal war nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Seine winzige Handschrift und der Code wurden von dem inzwischen verstorbenen Leslie Linder nach über neun Jahren geduldiger Arbeit transkribiert.»
«Das gerettete Buch des Simcha Guterman», Hanser: Im Jahre 1978 fanden Bauarbeiter unter der Treppe eines Hauses in Radom eine verstaubte, versiegelte Flasche voller Papierstreifen, die mit winzigen Buchstaben beschrieben sind …
Meine Tagesnotizen in Bautzen - leider auch verloren. Ich hätte sie nicht zu entziffern brauchen.
Im Archiv gibt’s auch so manches noch zu heben - ob es Schätze sind, ist fraglich: Stenoaufzeichnungen z. B.
Gedanken an das Elternhaus überfallen mich plötzlich. Es sind immer dieselben Bilder, die sich aufdrängen. Vielleicht sollte ich sie mal festhalten. Das wäre auch Plankton.
In der Post befand sich eine Biographie, die ich sofort las. Eine Frau flüchtet, bleibt aber beim Bauern, weil es da so gemütlich ist, und da sind die Russen auch schon. - Sehr sachlich, der übliche Einheitston der einfachen Frauen. Spannend.
Nartum
So 26. Februar 1989
Welt am Sonntag: Kohl warnt SPD vor Berlin-Bündnis mit Grünen /Bundeskanzler: Rot-grüner Senat mit linksradikaler AL bringt unkalkulierbare Risiken
Sonntag: … Daß man es nun wieder hat.«Der fliegende Holländer», Semperoper Dresden,«Tristan und Isolde», Staatsoper Berlin,«Walküre»in Magdeburg, Wagner-Rezeption in der DDR. Von Wolfgang Lange
Semesterferien. Von der Ruhe, die wir uns erhofften, kann keine Rede sein. Fast jeden Tag ist was anderes, auch das Kommen und Gehen der Hilfskräfte«nervt».
Unter ständigen Leibschmerzen arbeite ich am«Echolot». Habe mich nun entschlossen, auch Tagebücher, Briefe und Biographien Prominenter aufzunehmen. Dazu eine Zeitleiste. Dieses Gerüst, zu dem auch die«Meldungen aus dem Reich»gehören, beschäftigt mich im Augenblick.
Nächste Woche geht’s mit den eher anonymen Biographien und Tagebüchern aus meinem Archiv weiter. Es ist unerschöpflich.
Kolbe war hier, er will leider die Bio-Reihe einstellen, anstatt hier mit aller Kraft in die Offensive zu gehen! Da nützte es auch nichts, daß ich sie wort- und gestenreich als Parallele zur Chronik bezeichnete. Die Luft ist raus. Sie sehen sich meine Vorschläge nicht einmal an. Die Zacharias, Helmut Fuchs und Ray T. Matheny: Kein Mensch kennt diese Bücher, nirgends ist es publik gemacht worden, daß sie zur Chronik gehören.
Immerhin, für das«Echolot»setzt sich der Verlag ein, und, was wichtig ist, er bezahlt auch was, und zwar für«Hilfskräfte»und Recherchen, und einen zweiten Computer. Auch einen Vorschuß sagte Kolbe zu. Von«Mark und Bein»zeigte er sich nicht sehr beeindruckt. Ehe ich ihm noch was Genaueres erzählt hatte, winkte er schon ab. Immerhin, auch dafür genehmigte er einen Vorschuß.
Was unser
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