All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
bewegte. Oder der etwas verwildert aussehende Alte mit seinem ebenso wild aussehenden Hund an einem der Nebentische.
»Ermordet oder entführt.«
Er musste reagieren. »Red doch keinen Unsinn! Du meinst sicher, deine Katze ist gestorben, hab ich recht?«
Ein mausbrauner Kopf wurde geschüttelt. »Ermordet.«
»Das ist aber schlimm. Wie ist denn das passiert?«
Sie hatte jede Menge Details auf Lager und nun, eines Zuhörers habhaft geworden, legte sie los. »Vielleicht hat Sally sie in die Katzenklinik gebracht, und dort haben sie …« Dabei vollführte sie mit der Hand eine Geste, wie wenn eine Nadel ins Fleisch getrieben wurde. Heftig hieb der kleine Finger auf Melroses Jackenärmel ein. »So nämlich.« Sie trat einen Schritt zurück.
Im Pub, dem Black Cat in Chesham, waren nur wenige Gäste, er selbst, die Frau mit der Pferdewette und der griesgrämige Mann mit Hund, aber schließlich war es auch erst morgens kurz nach elf. Ihm hatte die wenige Kundschaft durchaus behagt – es war alles weniger kompliziert -, bis ihm die Kleine mit ihrer Katze gekommen war.
»Hm, Mord ist das aber eigentlich nicht«, sagte Melrose etwas abgehoben.
»Wenn das Ihnen passieren würde, würden Sie sagen, schon.«
Er runzelte die Stirn und suchte nach einem vernünftigen Einwand, wo es wahrscheinlich keinen gab. »War die Katze denn krank?«
»Ja. Ich bin auch krank. Sie sind vielleicht auch krank. Alles ist krank. Alle sind krank, aber deswegen werden wir doch nicht umgebracht.«
Dies war Philosophie auf höchsten Ebenen, die Melrose jedoch nicht zu erklimmen trachtete. »Es ist so …«
»Sie wollte nicht sterben. Sie hat mich angeguckt und angeguckt und es mit den Augen gesagt. Sie wollte nicht.«
Die Sache wurde allmählich doch recht verworren. »Es ist also doch in der Katzenklinik passiert.«
Wieder schüttelte sie den Kopf. »Nein, das war ein andermal. Wer sie umgebracht hat, soll ins Gefängnis und Sally auch.«
»Für wie lange?« Was für eine intelligente Frage!
»Für immer. So lang wie Morris nämlich weg ist. Ich hab ein Bild von ihr. Hier …« Aus einer Tasche ihres langen Rockes zog sie einen Schnappschuss hervor, den sie ihm überreichte.
Die Katze lag zusammengerollt auf einem Tisch draußen im Garten. Die Augen, wütend funkelnd, standen wie weiße Flammen in dem schwarzen Gesicht. Die Katze war vollkommen schwarz. Klar, dachte er, Black Cat – die Pubkatze.
»Und ›entführt‹ wurde sie auch, vergessen Sie das nicht.«
Das fürchterliche Schicksal dieser Katze nahm überhaupt kein Ende.
»Wieso sollte jemand deine Katze entführen?«
»Entführen oder ermorden .« Ihre Augen glänzten fiebrig im Wissen um Diebstahl und Mord.
Melrose hoffte, dass sein Lächeln nicht allzu überheblich wirkte. »Du meinst wohl, deine Katze ist verunglückt. Von einem Auto überfahren oder so?«
Erneut gequält zusammengekniffene Augen, Kopfschütteln. »Nein, ich meine ermordet .« Sie hielt ein Plüschtier in der Hand, eine nicht näher bestimmte Art von Menschenaffen, den sie nun heftig zusammenquetschte, wie um zu zeigen, welches Unheil ein würgendes Händepaar anrichten konnte. »So wie die Frau, die sie gefunden haben.« Sie warf den Kopf in den Nacken. »Da draußen.«
Aha! Das erklärte es. Sie übertrug die eine Situation auf die andere, indem sie ihre Katze zum Mordopfer machte. Wie ein Kind eben reagieren würde. »Aber wieso sollte jemand deine Katze vorsätzlich ermorden?«
»Vielleicht weil Morris gesehen hat, was passiert ist. Ich will mit der Polizei sprechen.« Sie hörte auf, ihr Plüschtier zu kneten und schlug die betrübten Augen nieder. »Er ist entwischt.«
Melrose hatte Schwierigkeiten, ihrem ständigen Themenwechsel zu folgen. »Dann muss die Katze aber doch irgendwo sein und am Leben.« Der starre Blick ließ ihn nicht los. »Wann ist das denn passiert?«
»Gestern Abend. Bestimmt hat Morris gesehen, was am Samstagabend passiert ist, und drum hat der Mörder sie mitgenommen.«
»Morris ist ein Weibchen?«, fragte er ungläubig.
Das Geschlecht des Katzenviehs war aber hier offensichtlich unerheblich. Diesen Erwachsenen würde sie nicht so schnell aus der Mangel lassen. Als sie ihn ansah, wusste Melrose, wie einem damals zumute gewesen sein musste, wenn man an der Sphinx vorbei wollte, ohne die Lösung des verdammten Rätsels zu kennen.
Einer Sphinx selbst nicht unähnlich ging sie hinüber und verschwand hinter der Theke. Melrose sah ihr nach, oder vielmehr ihrem
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