All the lonely people
die Ihre Tränen hervorlockt.
|148| Nachdem Sie die Trauerübungen gemacht haben, kehren Sie bewusst wieder in die Gegenwart zurück. Verrichten Sie eine handfeste Arbeit, essen Sie, telefonieren Sie. Tun Sie sich etwas Gutes, indem Sie ein Bad nehmen oder sich einen Wunsch erfüllen.
Damit setzen Sie eine Zäsur zwischen dem Versinken in Trauer und der Rückkehr in die normale Welt.
Der Tod, die Einsamkeit und die anderen
S icher können oder wollen Sie es nicht vermeiden, dass Sie außerhalb Ihres geschützten Raumes anderen Menschen begegnen. Dabei sollten Sie eines berücksichtigen: In Ihrer Trauer sind Sie sehr sensibel und dünnhäutig – und gerade jetzt werden Sie unerwartete Reaktionen bewältigen müssen. Das liegt weniger an der Herzlosigkeit der anderen als vielmehr daran, dass der Tod in unserem Kulturkreis ein großes Tabu ist. Keiner von uns hat gelernt, damit umzugehen. Unsere Ängste werden verdrängt und bleiben unbearbeitet. Mit einem trauernden Menschen konfrontiert, reagieren wir ablehnend oder hilflos. Deshalb kann es Ihnen leicht passieren, dass Menschen, zu denen Sie bisher einen guten Kontakt hatten, auf die andere Straßenseite wechseln, sobald Sie auftauchen. Diejenigen, mit denen Sie sich früher lebhaft ausgetauscht haben, werden plötzlich stumm, verlegen, finden keine Worte, verabschieden sich hastig nach ein paar Sätzen. Oder sie plaudern mit Ihnen über oberflächliche Dinge, als ob nichts geschehen wäre. Oft nehmen sie Ihr Leid zum Anlass, um egozentrisch über eigene Verluste zu klagen. Auch mit taktlosen Bemerkungen wie »Seien Sie froh, dass es endlich vorbei ist« oder »Na, wenigstens sind Sie finanziell abgesichert« müssen Sie rechnen.
Dieses Verhalten macht uns noch einsamer, als wir ohnehin schon sind. In unserem Schmerz brauchen wir Menschen, die uns ehrlich ihre Anteilnahme aussprechen, die zuhören, bei denen wir weinen dürfen, die uns in den Arm nehmen, die einfach bei uns sind. Doch das fällt vielen schwer. Ich habe es selbst so erlebt. Als ich nach der Beerdigung meiner Schwester in das Zimmer im Studentenheim zurückkehrte, |149| das ich mit meiner Freundin teilte, ergriff sie fluchtartig ihren Mantel und sagte hastig: »Tschüss, ich habe eine Verabredung.«
Es ist sehr verständlich, wenn wir uns nach solchen Reaktionen enttäuscht von allen zurückziehen. Das wäre allerdings bedauerlich. Sinnvoller ist es, sich seinen Umgang sorgfältig auszusuchen und zu gestalten.
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Überlegen Sie, wem Sie wie viel von Ihrem Kummer offenbaren wollen. Sie haben jederzeit das Recht, zu sagen: »Darüber möchte ich jetzt nicht sprechen, es fällt mir zu schwer.«
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Setzen Sie Grenzen. Falls Ihnen die Nähe wohlmeinender Menschen im Moment zu anstrengend ist, teilen Sie ihnen mit: »Es ist sehr lieb von Ihnen, dass Sie mich besuchen möchten, aber ich habe das Bedürfnis, allein zu sein.«
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Wenn jemand in Ihren Augen falsch reagiert hat, verzeihen Sie ihm. Er hat es einfach nicht besser gewusst oder gekonnt. Sie berauben sich möglicher Unterstützung, wenn Sie sein Verhalten auf alle anderen übertragen und sich völlig zurückziehen.
Die Länge trägt die Last
Z um Glück gibt es nicht nur ungeschickte, ängstliche und egozentrische Menschen. Es gibt auch solche, die zu uns stehen. Sie trösten uns, hören uns zu und nehmen uns in ihren Kreis auf, damit wir in unseren schwärzesten Stunden nicht allein sind.
Ganz ohne Probleme sind diese Beziehungen aber auch nicht. Vor allem die Länge trägt die Last. Wenn wir nach einigen Wochen oder Monaten immer noch traurig sind, ziehen sich manchmal auch denjenigen zurück, die am Anfang Verständnis zeigten. Sie werden ungeduldig, heimlich fallen wir ihnen sogar lästig. Sie wagen nicht, uns Grenzen zu setzen und zu sagen: »Jetzt kann ich die traurige Geschichte aber nicht mehr hören.« Ihre Abwehr ist nur allzu menschlich, und wir sollten uns deshalb nicht gleich verraten fühlen.
Die Autorin Marlene Lohner, deren Mann nach 19 Jahren Ehe |150| starb, gibt Trauernden für den Umgang mit anderen aus eigener Erfahrung den Rat: »Man kann keinen größeren Fehler machen, als das Mitgefühl der anderen zu strapazieren. Dann ist man mit Sicherheit binnen kürzester Frist im Abseits. Selbst die Bereitschaft der besten Freunde zum Zuhören erlahmt, wenn man es nicht bald schafft, auch wieder an ihren Problemen teilzunehmen. Wer sich dazu nicht durchringt, ist letztlich hoffnungslos an
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