Allan - Die Suche nach dem Ich (Band 2) (German Edition)
und gäbe, seinen Nachwuchs selbst zu unterrichten.
»Kommt!«, sagte ihr Gastgeber schließlich. »Ich zeige euch mein Heim.«
In den Gängen war es ebenso taghell wie im Rest des Anwesens. Die Kraft der Sonne schien wahrhaftig auszureichen, um das gesamte Innere zu erleuchten. Brent brachte die beiden im Wohnzimmer unter, in dem eine offene Tür zu einem großen Balkon führte. Dieser Raum war pompös eingerichtet. Möbel aus Nussbaumholz und Marmor waren so aufgestellt, dass das ganze Zimmer einen sehr fürstlichen Eindruck machte. Die Decke lief nach oben hin spitz zu - der Wohnraum lag in der Tempelspitze.
»Setzt euch!«, bat Brent seine Gäste und verwies auf eine Mischung aus Bett und Bank, welche Allan noch nie gesehen hatte. Diese Sitzmöglichkeit war mit Stoff überzogen und gepolstert - vermutlich mit Schafswolle oder Ähnlichem. Sie war sie sehr bequem. So eine Bettbank konnte er sich auch gut für sein eigenes Heim vorstellen. Doch wusste er nicht, wie er sie hätte bauen sollen und sie sich kaufen ... Für so ein fulminantes Möbelstück besaß er nicht genug Geld.
»Bald wird Igo´ Rabtoris euch erwarten. Bis dahin könnt ihr euch ein wenig ausruhen, es ist schon spät.«
Allan runzelte die Stirn. »Es ist spät? Aber es ist doch taghell.«
»Bei uns gibt es keine Nacht, so wie es in eurer Heimat scheinbar der Fall ist. Hier scheint stets die Sonne, zu jeder Tages- und Jahreszeit.«
Die beiden blickten sich begeistert an. Allan hasste den Herbst und Winter. Lediglich der Frühling und vor allem der Sommer konnten ihn bezaubern. Sinalia schien genauso zu empfinden.
»Wie könnt ihr bei der Helligkeit denn nur schlafen?«, wollte sie das wissen, was Allan sich auch gefragt hatte.
»Wir benötigen keinen Schlaf. Wir sind den gesamten Tag wach. Wir haben genug zu erledigen, da bleibt keine Zeit zum Schlafen.«
Der letzte Satz war nicht allzu ernst gemeint - das wusste Allan. Doch war es erstaunlich, dass die Maryka ohne die Nachtruhe leben konnten. Er würde verrückt werden vor Müdigkeit. Aber mit Sicherheit kannten sie weder Erschöpfung noch Kraftlosigkeit, die sie zumindest mit einem Nickerchen wieder ausgleichen könnten. Er beneidete sie. Wie viel er vom Leben haben würde, wenn er keinen Schlaf bräuchte.
Brent verließ den Raum mit den Worten: »Ich hole euch ab, wenn Igo´ Rabtoris euch erwartet.«
Zwar waren sie erschöpft, doch die Eindrücke, welche sie in der Maryka-Stätte bis jetzt gesammelt hatten, hätte sie kein Auge zutun lassen. Also begaben sie sich auf den Balkon, von dem aus sie den gesamten Ort überblicken konnten.
»Ich weiß nicht wirklich, was ich von den Maryka halten soll«, gestand Sinalia.
»Wie meinst du das?«, wollte Allan wissen.
»Erst steht er uns skeptisch gegenüber, nimmt uns jedoch mit in seine Heimat. Die Bewohner schienen uns im ersten Moment auch nicht zu vertrauen. Doch nach der köstlichen Mahlzeit haben sie scheinbar alle Zweifel verloren und wir werden sogar noch zum Anführer vorgelassen - wenn ich nur an die Ziege denke.« Sie schüttelte sich und verzog ihr hübsches Gesicht zu einer angewiderten Fratze, was sie jedoch nicht weniger schön erscheinen ließ. Ihre großen, grünen Augen spiegelten das Sonnenlicht wieder und strahlten ihn an. Er bereute es zutiefst, sie im Nebelgebirge zurückgewiesen zu haben.
»Die Maryka können ja essen, was ihnen lieb ist«, sagte Allan. »Aber mussten sie es uns auch noch runterschlingen lassen? Brent hat doch gesagt, dass wir uns nicht übergeben durften. Stell´ dir nur vor, was geschehen wäre, hätte unser Magen noch mehr rebelliert und das Stück Fleisch im hohen Bogen wieder abgesondert. Ich befürchte, sie hätten uns gelyncht.«
»Vielleicht hätten wir einfach sagen sollen, dass wir keine Tiere essen.«
»Ich denke, wir hätten es trotzdem zu uns nehmen müssen.«
»Hast du die Felder gesehen? Ich hoffe, beim nächsten Mal servieren sie uns Obst und Gemüse. Ist auf Dauer zwar relativ eintönig, allerdings besser als die rohe Ziege.« Sie schüttelte sich erneut, was Allan zum Lachen brachte. Das wiederum steckte nun auch Sinalia an. Lange war es her, dass er so herzhaft feixen konnte. Sie schien seinen von ihr verzauberten Blick zu bemerken - obgleich sie mit Sicherheit nicht ahnte, dass er dabei war, sich in sie verlieben, nach der Ablehnung, die er ihr gegenüber an den Tag gebracht hatte. Das Lachen der beiden schwächte ab, doch keinesfalls das Lächeln. Sie blickte ihn hoffnungsvoll
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