Allan - Die Suche nach dem Ich (Band 2) (German Edition)
an und Allan tat etwas, was er sich vermutlich nie getraut hätte, hätte Sinalia ihn nicht schon längst geküsst: Er tat den ersten Schritt. Langsam näherte sich sein Gesicht dem ihren. Er beobachtete, wie sie die Augen schloss, dann tat er es ihr gleich und ihre Lippen berührten sich - genauso zaghaft, wie beim letzten Mal. Sie schmeckte immer noch so fruchtig, duftete verlockend und ihre Haut fühlte sich zart und weich an. Die Strapazen, welche sie hatten durchmachen müssen, hatten ihrer Schönheit keinen Abbruch getan. Als ihre Münder voneinander abließen, näherte sich ihr Körper dem seinen. Er spürte eine enorme Aufregung in sich. Lange war es her ... Doch kam sie ihm nicht näher, um ihn zu entkleiden, sondern weil sie scheinbar seine Zuneigung spüren wollte. Und das war ein schönes Gefühl. Sie legte ihre Arme um Allans Hüften und faltete ihre Hände hinter seinem Rücken zusammen. Dasselbe tat er bei ihr. Ihr Kopf ließ sich auf seiner Brust nieder, mit dem Gesicht ins Tal gewandt. So verharrten sie dort und blickten in den vor Leben strotzenden und mit Licht überfluteten Ort. Allan schloss die Augen und genoss diesen Augenblick, schließlich wusste er nicht, wie lange er andauern und wann er wieder diese Geborgenheit spüren würde.
Die Sonne stand am höchsten Punkt und Brent hatte sie abgeholt, um sie zu Igos zu bringen. Sie gingen den Weg zu seinem Tempel entlang, an dem sich die Bewohner nach ihnen umdrehten. Gemurmel war zu hören. Doch schienen sie sich für die beiden zu freuen, dass sie zu ihrem Anführer vordurften, statt ihnen mit Missgunst gegenüberzutreten.
Dieser Tempel war der größte in der Stätte und war sogleich von innen als auch von außen um einiges pompöser. Diener erwarteten sie in der prunkvoll eingerichteten Halle. An den spitz zulaufenden Wänden hingen alte Ölgemälde, auf denen scheinbar die ehemaligen Anführer dieses Volkes zu sehen waren. Ein goldener Kronleuchter hing von der Decke, welcher scheinbar nur zur Zierde dort angebracht war, schließlich erhellte die Sonne die Eingangshalle bis in den letzten Winkel. Die Diener trugen Tabletts, auf denen drei goldene Becher standen. Brent nahm sich einen und ließ die beiden Besucher durch eine Handbewegung wissen, dass sie sich auch einen nehmen sollten. Sie ergriffen sie und blickten hinein. Eine rote, dickflüssige Brühe war zu sehen, die nach Eisen roch. War das etwa Blut, was sie trinken sollten? Vermutlich Ziegenblut. Dieses Tier schien ihnen heilig zu sein - oder auch nicht, sonst würden sie es nicht aufschlitzen und dessen Fleisch und Lebenssaft zu sich nehmen.
»Trinkt!«, hörten sie in diesem Moment Brent sagen.
»Den ganzen Becher?«, fragte Sinalia ängstlich, woraufhin sich Allan ein Lachen verkneifen musste. Sie war so herrlich erfrischend und ehrlich. Brent blickte sie lediglich mit in Falten gelegter Stirn an und gab ihnen zu verstehen, dass sie trinken sollten. Erst sahen sie sich das Blut an, ehe sie sich in die Augen schauten. Allan konnte erkennen, dass Sinalia dasselbe dachte, wie er: Schnell runter damit! Also legten sie den Becher an ihren Mündern an und tranken einen Schluck nach dem anderen. Nach einigen mussten sie ein Würgen unterdrücken. Es war immer noch so viel von diesem Blut vorhanden. Wie sollten sie das nur runterbekommen? Sie setzten erneut zum Trinken an, doch Brent erlöste sie unerwartet.
»Kommt!«
Sie stellten die Becher auf das Tablett und folgten ihm durch einen der Gänge. Es war unglaublich: Obwohl dieser Tempel so groß und die Flure zwischen den Räumen so verwinkelt waren, wurden sie immer noch vom Sonnenlicht erhellt. Dieser Weg beförderte sie in das oberste Stockwerk, in dem Igos´ Gemach zu finden war. Auch diese Stube führte zu einer Empore - zu jener, von der aus er zum Volk gesprochen hatte. Scheinbar lagen alle Wohnräume unmittelbar in der Tempelspitze. Doch dieses Wohnzimmer war ganz anders eingerichtet als jenes von Brent. Dessen Heim lud zum Entspannen ein, während dieses abschreckte. Allan und vermutlich auch Sinalia wären auf dem Absatz umgekehrt, wenn sie Igos nicht so dringend hätten sprechen müssen. Oder wie die Maryka ihn nannte: Igo´ Rabtoris. Er fragte sich immer noch, was es mit diesem Pseudonym auf sich hatte und weshalb er seinen ursprünglichen Namen abgelegt hatte.
Igos´ Wohnraum war düster, obwohl die Sonne schien. Doch aus unerklärlichen Gründen machte das Licht vor der Türschwelle vom Balkon Halt. Statuen aus
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