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Allawa

Allawa

Titel: Allawa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Kreuzung jemanden rufen) empfand Mel vielleicht als beruhigenden Ergänzungsgefährten. Ich beobachtete nie, daß sie einen Rangunterschied festgelegt hätten. Die beiden Gleichaltrigen, Gleichgroßen — nicht Gleichschweren — hielten sich für Zwillinge, jedenfalls für meine Lieblinge, und liebten sich nach geometrischem Gesetz auch untereinander. Eifersucht war ausgeschlossen: sie beide die Meinen, alle andern Gäste nur Bedürftige.
    Sie tobten von klein auf zusammen, bis sich Allawa flach und tot in die kühlende Wiese legte. Ich hielt es für Spaß, sah allmählich, daß er tatsächlich viel rascher ermattete als der hagere Mel, dachte aber auch dann noch, daß eben spielende Hunde rechtzeitig eine Pause einlegen, mit ihrem gesunden Instinkt.
    In seinem dritten Jahr hinkte er öfters auf dem Heimweg von solchem Sport. Rechts hinten etwas gezerrt? Oder eine Schwäche im Zusammenhang mit dem schiefen, gelähmten Schwanz? Es ging vorbei. Konnte nichts Schlimmes gewesen sein. Er sprang auch gern und schön über Hindernisse, oft kreuzweise mit Mel.
    Nach einiger Zeit stellte er das rechte Hinterbein nur leicht auf und entlastete es auch beim Gehen. Der linke Oberschenkel wurde bedeutend muskulöser. Dann offenbar eine Entzündung, er schrie bei manchen Bewegungen unterdrückt auf, hinkte schwer. Ich warf mir vor, daß ich ihn so viel hatte spielen lassen — und springen ! Hirnverbrannt. Schlimmer noch, in seiner Jugend hatte eine seiner Matratzen direkt auf den Küchenfliesen gelegen, bis ich entdeckte, daß die Unterseite durch seine Wärme feucht wurde. Daraufhin hatte ich einen Holzrost machen lassen, vielleicht zu spät.
    Die Durchleuchtung ergab, daß die eine Hüftgelenkpfanne zu flach war, Degenerationserscheinung. Also nicht meine Schuld, aber durch zuviel Bewegung entzündet. Der junge Arzt sagte, so oder so würde dieser Hund bald auf der Straße zusammenbrechen, humaner wäre, ihn vorher abzutun. Ich schonte ihn umsichtig, es wurde viel besser. Ich war sicher, daß er auf diese Weise alt werden könnte.
    Aber in seinem fünften Jahr fiel mir sein zunehmender Durst auf, dieses gefürchtete Symptom. Und ein merkwürdiger Maulgeruch — hoffentlich kommt das von den braunen Zähnen. Ich verfluchte wieder meinen Schwachsinn damals mit der Matratze; vielleicht waren es doch die Nieren. Vorläufig wartete ich ab, mit Nierentee, Diät und homöopathischen Mitteln. Der Durst ließ nach, das Fell wurde glänzender, die Stimmung lebhafter, nach einem halben Jahr wirkte er wiederhergestellt. Ich fuhr auf ein Wochenende fort.
    Auf einen Telefonanruf kam ich am nächsten Tag zurück: Allawa hatte eine schlaflose Nacht verbracht, Übelkeit und offenbar Atemnot. Ich wußte augenblicklich von weitem, was uns erwartete.
    Er begrüßte mich hechelnd, bittend, scheinbar lebhaft, in Wahrheit von Schmerz oder Unrast gepeinigt. Sofort zu einer lieben Tierärztin, die ihm eine Fettgeschwulst entfernt hatte; er legte ihr seine braunen Arme um den Hals und ließ sich behorchen. Leichtes Fieber, vielleicht Nierenstörung, vielleicht etwas am Herzen: »Ich kann jetzt nicht sicher sagen, ob ich etwas Schlimmes höre, morgen sehen wir klarer .« Ich sagte: »Sollte man ihn gleich töten .« Sie sah mich entsetzt an, davon könne überhaupt keine Rede sein.
    Zu Hause nahm er gehorsam die Medikamente. Er hatte von jeher alles getrunken oder geschluckt — vor allem wenn ich sagte: »Aber Allawa, die teuren Pillen !« Es war nie nötig, ihm etwas einzugeben. Aber am Abend wirkte er blaß und sah sinnend bald vor sich hin, bald tief in meine Augen. Ich erriet nur zu gut, was er sah; etwas Fernes, das ihm vertraut war, und eine drohende Trennung wie vor meinen Abreisen.
    In der Nacht gingen wir viele Male in den Garten, er hatte Bauchweh und war unruhig. Hin und wieder schlief er ein, während ich an seinem Bett saß. Am Morgen sprang er auf, taumelte ein paar richtungslose Schritte, brach zusammen und streckte sich aus. Ich war sofort bei ihm. Man konnte schon keinen Herzschlag mehr hören.

    Fünfeinviertel Jahre alt, fünf Jahre bei uns gewesen. Die schreckliche Inzucht — aber vielleicht war das undankbar, vielleicht hatten wir seine ungewöhnlich hoch entwickelte Seele derselben Inzucht zu verdanken. Hervorragende Nerven, vollkommener Charakter, aber körperlich belastet.
    Ich bekam Briefe und Teilnahme von allen Seiten, wie für einen Menschen. Jedem war das Ungewöhnliche aufgefallen. Für mich hatte es nie eine größere

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