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Allawa

Allawa

Titel: Allawa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Straßen und plante weiter: man muß den Hund auf selbstverständliche Art begrüßen, nicht so feiern, als wäre etwas Furchtbares überstanden. Er kam liebevoll blinzelnd auf mich zu und ließ sich klopfen. »Braver Allawa, hast du dich gar nicht aufgeregt ?« Er lachte. Aufgeregt, wieso das?
    Er sollte rechtzeitig das Warten im Auto lernen, wo Fingal zu heulen pflegte; was gab es da zu lernen, er machte es sich bequem. Sein Urvertrauen schien unerschütterlich zu sein.
    Ich wollte pädagogisch virtuos Respekt in ihm anle -gen, gleich nach dem Gesetz, das bei seinen wilden Vorfahren noch heute gilt: man darf erst fressen, wenn die Übergeordneten — Löwen oder ältere Tiere — es erlauben. Mit den alten Gesetzen trifft man sofort in den Kern. Gut, er wartete etwas entfernt von der Schüssel, bis ich sagte: »So, jetzt darfst du .« Alles überflüssig, er hatte ohnedies Respekt, angeborene Frömmigkeit. So jung er war, er stahl nie, kaute nur an seinen eigenen Sachen, schob keine Tür auf, die wir angelehnt hatten, um ihn fernzuhalten. Vielleicht hatte er schon eine kleine Weltanschauung, wonach diese Gottheiten, die wir darstellten, ihn liebten und allwissend umsorgten und Ehrfurcht verdienten.

    Die Regeln anderen Hunden gegenüber schien er aus derselben guten Natur heraus schon zu kennen, ehe ich Steuerkünste anwenden konnte. Demut vor Stärkeren, Großmut für Schwächere; er war ein Meister darin, sich Gunst oder Vertrauen zu gewinnen, fast jeder Griesgram spielte schließlich mit ihm.
    Aber als er acht Monate alt war, überfiel ihn auf einer Reise ein Hofhund, dessen Revier er neugierig betreten hatte. Er kam mit seinem Schmerzgesicht und einem tiefen Loch in der Weste zu mir. Den Biß kann man pflegen — wenn nur die Seele nicht verletzt ist! Ich machte mir Sorgen in dem Hotelzimmer, das scharf nach zerrissenem Fell oder eingeschalteten Wundheilkräften roch. Unter gar keinen Umständen darf er ein Raufer werden, sonst lasse ich ihn töten, das habe ich mir geschworen. Nicht wegen der Aufregungen für uns, sondern wegen der vielen Hunde, die dann verstört oder bösartig werden. An diese Seite des Raufens hatte ich damals bei Primus nie gedacht.
    In den nächsten Wochen suchten wir jede nur mögliche Hundebegegnung. Er reagierte vorbildlich: von bitteren Erfahrungen läßt man sich nicht verwirren, man lernt nur. Er wußte nun, daß es Feindseligkeit gibt, und wich ihr ohne Groll aus.
    Je stärker er wurde, um so fester hatte er den Verlauf in der Pfote. Ein großer Hund, der nicht raufen will, ist schwer zu verwickeln, und glücklicherweise stießen wir nie auf einen noch stärkeren, der es fertiggebracht hätte. Allawa schob abgewandt eine Schulter vor; ein Boxer, der ihm ans Genick springen wollte, glaubte in ein Bronzedenkmal zu beißen und prallte verdutzt ab. In seltenen Fällen warf er leichtere Gegner blitzschnell zu Boden — ich konnte dem Trick nie folgen — trat gemessen zur Seite, ging weiter. Wenn er diese Unfreundlichen wiedersah, machte er ostentativ wegblickend, aber ungesträubt, einen Bogen um sie. Wo du nicht lieben kannst, sollst du vorübergehn .
    Seit dem Zwischenfall auf der Reise achtete er fremde Hoheitsgebiete, aber er selbst hatte keines. Ich konnte ihn gegen alle Vorsicht mit Hundegästen konfrontieren, Tür auf, er fiel beinahe über sie, stutzte, lachte in freudigster Begrüßung. Gäste sind Freunde.
    Er trug fast nie ein Halsband, und wenn, dann war es ein schmaler Ledergürtel (wir hatten die gleiche Haisund Taillenweite). Ein Leinchen kaufte ich erst, als ein Trambahnschaffner es verlangte, aber wir benützten es nur »für die Leute«. Ich sagte öfters: »Er ist zu weise, zu vollkommen — ich fürchte immer, daß er nicht alt wird .«

    Eine Unart entwickelte er doch, und ich hatte von Anfang an gewußt, daß es eine werden würde. Schuld daran waren unvernünftige Respektspersonen von der Sorte, die Kinder und Hunde durcheinanderbringt. Wie alt muß man werden, fragte ich mich, bis niemandem mehr Respekt gebührt, nein, falsch ausgedrückt, bis ich sagen kann, was nötig ist, trotz eventueller Ehrerbietung. Es lag wohl an mir.
    In unserem Umkreis also lebten drei schreckliche Frauen, die nicht ruhten, bis Allawa ihr Gesicht ableckte, indem er hochsprang oder auf ihren Stuhl kletterte. Eine sah er fast täglich im Haus meiner Mutter, das Gejauchze und Gekreische prägte sich seinem Kindergemüt ein, und die beiden andern Liebeshungrigen bestätigten den Eindruck:

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