Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allawa

Allawa

Titel: Allawa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
Millionen wollen umschlungen sein. Dazu kamen zwei Männer, deren Knabenseelen es ergötzte, mit einem kräftigen Hund zu ringen; ihnen gegenüber litt ich zwar nicht an Respekt, aber an ebenso lähmendem Verständnis, ich konnte nicht Spielverderber sein.
    Allawa teilte die Menschen daher bald in zwei Gruppen ein: die Nächsten, die er liebevoll-rücksichtsvoll behandelte, weil wir ihn dazu erzogen hatten, und alle andern, die er betrommelte. Tadel nützte in diesem Stadium nichts mehr.
    Als er einjährig war, fast fünfzig Kilo schwer, wurde es schon gefährlich, da er überall Begeisterung erweckte. Auf Spaziergängen, und wenn er vor Läden wartete, riefen wir: »Nicht mit ihm sprechen! Nicht anrühren !« Viele Leute erwiderten: »Ich habe doch keine Angst !« , tätschelten ihn mit Locktönen — und taumelten rückwärts oder fielen um. Zweimal kamen Freunde nicht über die ersten, zu enthusiastischen Begrüßungsworte hinaus, weil sein breiter Schädel an ihre Zähne krachte, Lippen quetschte. Er brauchte das Nicht- Beachtetwerden , dann blieb er anständig. Es war dasselbe Phänomen wie bei Fingal , im Gegensatz zu Primus: harmlose Unkenntnis seiner Waffen.

    In Allawas drittem Jahr sollte ich eine Nervenkranke betreuen, damit sie sich im Hotel wieder an die Umwelt gewöhnte. Ein Bekannter hatte soeben seine Hündin (Allawas Tante) verloren und wollte ihn gerne einen Monat zu sich nehmen. Allawa schätzte diesen Mann, an Bewegung würde es nicht fehlen, man durfte es versuchen, zumal er so leutselig war. Ich fuhr ihn also vier Stunden weit hin und holte dann meine Patientin.
    Erste Nachfrage vom Hotel aus: er ist weit gelaufen, hat aber noch nichts gegessen, nicht geschlafen, ganze Nacht im Zimmer auf und ab, zur Tür. Mir nagte schon eine Ratte am Herzen. Zweiter, dritter, vierter Morgen: frißt nicht, schläft nicht, aber weit über Land gegangen, fast zu lebhaft, eher aufgeregt. Die Kranke, so depressiv sie war, hätte nun bald mich betreuen können. Hungern ist kein Unglück, aber daß er nicht schläft! Ich beschloß eisern, noch einen Tag zu warten, länger nicht. Am fünften Morgen dasselbe: »Und er hechelt und bittet immer, ich kann ihn nicht beruhigen...« — »Sagen Sie ihm, daß ich ihn gegen Mittag hole .« — »Nein, nein, so meine ich es nicht, ich habe ihn gerne da...« — »Ja, ich weiß, danke, aber ich komme.«
    Punkt acht versammelte ich die Kranke hinter ihrem Frühstückstablett; was sein muß, das geht, nicht wahr, Sie versprechen, sonst wird der Hund krank, ich brauche Ihre Hilfe, wir sind um eins zurück. Rasende Fahrt, vom Hotel aus nur drei Stunden, seliges Wiedersehen, hastiger Dank, bezahlen, Matratze, Schüssel, Futtersäcke, und für immer vereint fort. Nie mehr, nie mehr in diesem Leben, wir vertragen es ja beide nicht.
    Die Patientin lebte durchaus noch, und von da an machte sie sogar Fortschritte. Weil ich jetzt vollzählig da war? Weil Allawa wie ein Krankenpfleger neben uns wandelte, sie anlächelte, Behaglichkeit ausströmte? Weil sie wie eine Gesunde um Hilfe gebeten worden war? Jedenfalls begann ein besseres Leben, nachdem er eiligst gefressen hatte und sich dann auf sein Lager warf, um bis ins Krankenzimmer hörbar zu schnarchen. Keiner fällt aus seiner Wiege, hieß das, sie schaukelt nur manchmal etwas beängstigend, das geht vorbei.

    Er hörte seinen Namen gern, das a war ihm angenehm wie in »brav« und »ja«. Und offenbar erriet er am Ton allein, was ich von ihm wollte, denn meistens setzte er zur Ausführung an, wenn ich den Wunsch probeweise noch nicht aussprach. Allerdings halfen ihm wohl auch immer Kopf- oder Handbewegungen dazu. »Allawa«, und er suchte im Freien Verlorenes (zwei leere Handflächen); sprang über eine Bank; bellte im Haus als Rufanlage, vor Wohnungen als Klingel (erhobene Hand); überbrachte Post, sogar seltene Tausenderhonorare bis in den zweiten Stock. Er konnte nicht wedeln, aber die Bernsteinaugen und das Wackeln drückten lächelnde Bereitwilligkeit aus.
    Sein Mitgefühl erinnerte an Primus; sobald er einen wehklagenden Satz hörte, stürzte er zum Trösten herbei. Nur war er wuchtiger als Primus, seine Ellbogen bohrten sich zentnerschwer auf die Knie des Opfers, seine Kopfstöße waren Kinnhaken. Dank diesem Unterschied kam man durch Allawa nie zu verdoppeltem Selbstmitleid; wenn der schreckliche Tröster nahte, schrie man: »Nein, nein! Ich bin nicht traurig, nicht traurig !« und lachte natürlich schon.
    Aber als ich mit einem

Weitere Kostenlose Bücher