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Alle auf Anfang - Roman

Alle auf Anfang - Roman

Titel: Alle auf Anfang - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Zaplin
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völlig verückt.«
    Mehr fällt ihm nicht ein.
    »Check message.«
    »Ist das dein dämliches Spiel, du Clown?«
    »Move.«
    »Spielst du jetzt einfach so?«
    »Cross player.«
    »Ohne Computer? Geht das?«
    »Enter.«
    Eigentlich toll, denkt Anselm, gar nicht so blöd, wie ich dachte. Du willst spielen, Söhnchen? In Ordnung, lass uns spielen. Mit sicherer Bewegung schaltet er zurück. Der Motor heult auf.
    »Mitbürger! Freunde! Römer! Hört mich an!«
    Mit einem Lächeln registriert Anselm, dass der Junge sich an der Maske festkrallt.
    »Begraben will ich Cäsar, nicht ihn preisen!«
    Der Junge scheint sprachlos. Das spornt Anselm an. »I come to bury Caesar, not to praise him«, spuckt er aus, Silbe für Silbe, »the evil that men do lives after them, the good is often interred with their bones. So let it be with Caesar!«
    Noch einmal tritt er kräftig aufs Gaspedal, noch einmal heult der Motor auf. Der Plebs, denkt Anselm, die heulende Masse. »Check message«, hört er die Stimme des Jungen neben sich.
    »Yet Brutus says he was ambitious«, entgegnet Anselm.
    »Cross over to matchpoint«, wirft Jasper zurück.
    »And, sure, he is an honorable man!«
    »Close door!«
    Kurz weiß Anselm nicht weiter. Text, denkt er, möchte mit dem Finger nach der Souffleuse schnipsen.
    »Door bang!« schreit Jasper neben ihm. »Gewonnen! Hundert Dots für Jasper!«
    »Revanche«, fordert Anselm, »ich schlage dich, Söhnchen.«
    Für einen kurzen Moment kreuzen sich ihre Blicke. Ein merkwürdiges Aufleuchten liegt in dem von Jasper, das Anselm sich nicht zu deuten weiß. Hoffentlich dreht der nicht durch, denkt er und blättert im Kopf die Textbücher von früher durch, die Traumrollen, die er dann doch nie gespielt hat. Auffordernd sieht Jasper ihn an. Das Aufleuchten ist einer fast kindlichen Spielfreude gewichen. Und Anselm greift in Gedanken zum Textbuch mit den vielen Notizen, den seit zwanzig Jahren bereitliegenden Sätzen.
    »Ja, Andres«, beginnt er, fasst den Schaltknüppel wie das Messer und geht hart in den fünften Gang, »den Streif da über das Gras hin, da rollt abends der Kopf.«
    Sie fahren ruhiger jetzt, trotzdem schleicht sich Unruhe in Jaspers Gesichtsausdruck. Diese Worte treffen. Anselm weiß das.
    »Es hob ihn einmal einer auf, er meint, es wär ein Igel.«
    »Stopp«, fällt Jasper ihm ins Wort, »hör auf.«
    Anselm braucht ihn nicht anzusehen. Dieses Flüstern verrät ihm, dass die letzte Runde an ihn geht. »Ein Feuer fährt um den Himmel«, holt er dennoch zum finalen Schlag aus, »und ein Getös herunter wie Posaunen.«
    »Bitte! Aufhören!«
    Anselm hört den Zusammenstoß von Metall, Glas und Beton, er sieht Feuer aus einer Motorhaube schlagen und er ist sicher, dass Jasper dasselbe sieht.
    »Was hast du gesagt, war das für ein Auto?«, fragt er.
    »So ein ganz normaler Kombi«, flüstert Jasper.
    »Welche Farbe?«
    »Irgendwas Dunkles.«
    »Eben hast du gesagt: dunkelblau.«
    »Kann sein, ich weiß es nicht mehr genau.«
    »Und eine Frau ist durch die Scheibe geflogen?«
    »Ich weiß das nicht mehr.«
    »Hast du eben jedenfalls gesagt. War auf der Rückbank ein Kindersitz?«
    »Keine Ahnung!« Jetzt schreit er. »Was soll das hier sein? Ein Verhör?«
    Anselm bleibt ruhig. »Ein Spiel«, sagt er mit weicher Stimme. Kein Spiel.
    »Scheißspiel«, erklärt Jasper.
    »Allerdings«, erwidert Anselm. Anschließendes Schweigen. Zeit zum Nachdenken. Jetzt mal ganz sachlich, denkt Anselm, die Wahrscheinlichkeit, dass Claudia mit diesem Unfall irgendetwas zu tun hat, ist so denkbar gering wie die, dass ich noch einmal eine Hauptrolle bekomme. Das lässt sich vermutlich sogar ausrechnen. Bestimmt gibt es irgendeine Statistik dafür. Und nur, weil Claudia und ich einmal den Tod herausgefordert haben, ihm sozusagen auf den Pelz gerückt sind, heißt das noch lange nicht, dass dem das ausgerechnet heute wieder eingefallen wäre. Der ist doch nicht nachtragend, der Tod. Der denkt sowieso nicht, außerdem, alles Aberglaube. War doch auch bloß ein Spiel, damals. Sein, Anselms Spiel. Er hatte das gewollt, das mit dem Messer. Das mit dem Tod.
    »Glaubst du, dass ich schuld bin?«, fragt Jasper in das Schweigen hinein. Es klingt ängstlich und trotzdem fordernd. Anselm muss antworten, obwohl er das eigentlich nicht kann.
    »Wenn du mein Sohn wärst«, beginnt er und versucht, Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, »wenn mir etwas daran läge, dass du … wie soll ich sagen … dass du …«
    Er bricht ab. Wieder

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