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Alle jagen John Mulligan

Alle jagen John Mulligan

Titel: Alle jagen John Mulligan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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und ihn zu verbinden. Dann wollte er sich einen Becher Tee kochen, aber er fühlte sich noch zu matt, legte sich deshalb wieder auf das Lager und sah träumend zu dem Dach der Hütte hinauf, bis ihm die Augenlider zusanken und er in einen leichten, stärkenden Schlaf fiel. Bei seinem Erwachen stand ihm eine Überraschung bevor.
    Es war ihm, als ob er seinen Namen aussprechen höre, und wie er, die Augen halb geöffnet, unwillkürlich und ohne den Kopf zu wenden, einen Blick nach der Tür warf, erkannte er dort die Gestalt eines Mannes, die den Eingang verdunkelte.
    Das Herz hörte ihm auf zu schlagen, aber der nächste Augenblick rief ihn auch schon wieder zu voller Tätigkeit.
    »Mr. Tolmer«, sagte die Stimme, und während er sich ganz langsam, keinen Schreck zu verraten, emporrichtete, sah er den Buschranger John Mulligan in der Tür stehen, seine eigene scharf geladene Doppelflinte in der Hand, die Hähne gespannt und die Läufe auf ihn gerichtet. Er hatte leichtsinnigerweise, als er sich wieder aufs Bett warf, die Waffe neben der Tür stehenlassen, und sein Leben war in diesem Augenblick in den Händen des Verbrechers und hing an dem Druck seines Zeigefingers.
    »So, Mulligan«, sagte Tolmer, mit voller Geistesgegenwart die Gefahr überschauend, in der er sich befand, indem er die Beine von dem Bettgestell herunterließ, ohne jedoch aufzustehen. »Haben wir Euch endlich? Den langen Marsch im Busch hättet Ihr Euch und uns ersparen können, denn daß Ihr nicht fortkämt, sobald wir nur erst einmal auf Eurer warmen Fährte waren, mußtet Ihr wissen.«
    »Ihr habt mich ?« fragte der Flüchtling, indem ein hämisches Lächeln über seine bleichen Züge flog. »Wäre nicht übel. Ihr seid in meiner Gewalt, Tolmer, und was hindert mich, mit einem Fingerdruck Euch alles abzuzahlen, was Ihr mir schon in diesem Leben angetan habt?«
    »Die Furcht vor dem Galgen, Mulligan«, sagte Tolmer, ohne eine Miene zu verziehen, »obgleich Ihr dem doch schwerlich entlaufen werdet. Aber habt Ihr mich wirklich für so blödsinnig gehalten, Euch ein geladenes Gewehr dort an die Tür zu stellen, und mich in eine andere Ecke aufs Bett zu legen? Die List war plump genug, aber sie ist doch geglückt.«
    »Was meint Ihr damit?« rief der Buschranger, das Gewehr fester packend und einen scheuen Blick zurück über die Schulter werfend.
    »Was ich damit meine?« sagte Tolmer ruhig, indem er ein Bein über das andere legte, »daß Ihr umstellt seid und ich hier nur auf dieser Pfeife einen einzigen Pfiff zu tun brauche, um meine neun Mann dazuhaben. Fort könnt Ihr nicht mehr. Herein haben sie Euch gelassen, hinaus kommt Ihr nicht, und ich hatte mich doch nicht geirrt, als ich mir dachte, Ihr würdet der Lockung nicht widerstehen können, ein Gewehr auf einen schlafenden Menschen anzulegen.«
    »Mr. Tolmer«, sagte Mulligan finster, »Ihr werdet Euch erinnern, daß ich Euch geweckt habe. Es lag in meiner Macht, Euch eine Kugel durchs Hirn zu schießen.«
    »Aus dem leeren Gewehr?« sagte Tolmer lachend. »Es stecken nur Zündhütchen darauf, daß es besser aussieht. Aber hört mich, Mulligan«, fuhr er plötzlich, als der Buschranger das Gewehr mißtrauisch betrachtete und nicht übel Lust zu haben schien, den Ladestock herauszuziehen, ernster und mit einem mehr teilnehmenden Ton fort: »Noch sind wir unter uns. Soviel ich weiß, ist Euch bis jetzt kein ernsteres Vergehen zur Last gelegt worden als die gelegentliche Erpressung von Proviant, die mit der Not entschuldigt werden kann. Ihr habt noch kein Blut vergossen, und wenn auch wieder eingefangen als Buschranger, steht Eure Sache noch immer nicht so schlimm. Ein oder zwei Jahre verschärfte Überwachung ist wahrscheinlich die Strafe, die Ihr bekommen werdet, und ich werde Euch durch meine Aussagen nicht tiefer hineinreiten. Stellt einmal das Gewehr an die Wand; ich mag nicht mit Euch reden, solange Ihr eine Flinte in der Hand habt, wenn sie auch nicht geladen ist.«
    Mulligan sah ihn an und zögerte.
    »Soll ich das Zeichen geben?« fragte Tolmer, »daß meine Leute Euch mit der Waffe in der Hand ertappen?«
    »Ihr habt recht, Mr. Tolmer, sagte der Mann, dem die Ruhe des Polizisten imponierte. Der, den er vor wenigen Minuten noch in seiner Gewalt geglaubt, mußte wirklich Hilfe in seiner unmittelbaren Nähe haben, er wäre sonst wenigstens von seinem Erscheinen erschreckt worden oder hätte sich in anderer Weise verraten. Nach dieser Überlegung lehnte er das Gewehr an die Wand, Tolmer aber

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