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Alle jagen John Mulligan

Alle jagen John Mulligan

Titel: Alle jagen John Mulligan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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geringsten Widerstand leistet, will ich annehmen, daß Ihr alles gewußt und Euch mir freiwillig gestellt habt. Ihr werdet verstehen, daß Euch das beim Gouverneur hoch angerechnet würde.«
    »Und wollten Sie das wirklich tun, Mr. Tolmer?« fragte Mulligan, rasch den Kopf hebend.
    »Ich habe es Euch freiwillig zugesagt.«
    »Dank Euch, Sir«, sagte der Mann aus vollem Herzen, »Menschenkräfte hätten's auch nicht länger ausgehalten. Seit zwei Tagen habe ich keinen Bissen, nur einen Trunk Wasser, über die Lippen gebracht; und der Streifschuß an der Schulter, gestern den ganzen Tag das Wundfieber und die Dornen haben mir schwer zu schaffen gemacht. Das Gefängnis ist eine Wohltat gegen ein solches Dasein.«
    »Aber warum habt Ihr Euch nicht schon lange wieder gestellt?«
    »Die Freiheit«, stöhnte der Mann, »die Freiheit! Ihr, die Ihr da draußen noch nie hinter den Eisenstäben gesessen, noch nie gehört habt, wie es klingt, wenn die Riegel hinter einem zugeschoben werden, Ihr wißt gar nicht, was es ist, ein freier Mensch zu sein.«
    Er sank mit den Worten wieder in seine frühere Stellung zurück, und Tolmer, der sich jetzt ziemlich sicher fühlte, daß er für den Augenblick keinen weiteren Fluchtversuch von seinem Gefangenen zu fürchten habe, ging an das Bettgestell, nahm Brot und Fleisch, das er noch dort liegen hatte, und brachte es Mulligan.
    Anfangs wollte er es nicht anrühren; aber nicht lange konnte er es neben sich liegen sehen. Sein kräftiger und jetzt bis zum Tod erschöpfter Körper forderte Nahrung, und sowie er den ersten Bissen gekostet hatte, schlang er auch das übrige rasch und gierig hinunter.
    Eine volle Stunde mußte Tolmer noch warten, ehe die Seinen von ihrem natürlich erfolglosen Streifzug zurückkehrten. Sie hatten aber dabei ihre übrigen Gefährten getroffen, die eben im Begriff gewesen waren, den Schoner wieder aufzusuchen.
    Borris war übrigens nicht wenig erstaunt, John Mulligan in Tolmers Gesellschaft zu finden, und das unwahrscheinlichste von allem war ihm, daß sich der Buschranger freiwillig gestellt haben sollte. Tolmer aber erklärte es in Mulligans Gegenwart, und als er noch die Wunde des Gefangenen hatte sehen lassen und indessen von der nächsten Station ein Pferd für ihn selbst herbeigeholt worden war, denn mit seinem wunden Fuß hätte er die Strecke nicht mehr marschieren können, setzte sich der kleine Zug in Bewegung.
    Ein zu Jim Riddles Hütte geschickter Bote holte indessen den Matrosen von dort ab, brachte aber auch Jim mit, der sich selbst überzeugen wollte, ob sein »Freund«, der Buschranger, wirklich in sicherem Gewahrsam sei und ihm keinen unverhofften Besuch mehr abstatten könne. Nur unter dieser Bedingung wollte er länger auf der Känguruh-Insel bleiben.
    Als sie an der Stelle angekommen waren, wo der Schoner auf die Polizeimannschaft wartete, stieg Tolmer vom Pferde. Bevor das Boot kam, um sie abzuholen, wollte er noch die alten Schüsse aus seinem Gewehr herausschießen und es frisch laden. Er nahm einen dickstämmigen Gumbaum aufs Korn - John Mulligan, von vier Polizeileuten bewacht, stand neben ihm -, zielte bedächtig und drückte ab. Klapp, versagte das rechte - klapp, das linke Rohr.
    Tolmer drehte sich langsam zu John Mulligan um, und beider Blicke begegneten sich, aber keiner von ihnen sprach ein Wort. Der Polizeisergeant setzte ruhig frische Zündhütchen auf, drehte sich wieder dem Baume zu und feuerte beide Rohre scharf hintereinander in den alten Gumstamm hinein, daß die Rehposten klappernd daraufschlugen.
    Eine Stunde später hatte der Schoner alle seine Passagiere an Bord; der Anker wurde gelichtet, und das kleine Fahrzeug segelte mit günstigem Wind zu dem nicht fernen australischen Kontinent hinüber.

2. Kapitel
    In Lyndock Valley, nördlich von Adelaide, arbeitete eine Gruppe von Sträflingen in Ketten.
    Rechts an der Straße, wenn man dem damals noch wenig begangenen Weg von Adelaide aus folgte, stand ein hoher Palisadenzaun, fest eingerammt, mit scharfen Spitzen und oben noch mit drohend umgeschlagenen Nägeln bewehrt, über den nur hier und da einzelne aus unbehauenen Steinen zusammengesetzte Schornsteine emporragten. Diese gehörten zu gewöhnlichen Rindenhütten, in denen die Deportierten, wenn sie ihr Tagewerk vollbracht und abends ihr Mahl gekocht und verzehrt hatten, nachts unter strenger Wacht gehalten wurden, bis sie die Sonne zu neuer Arbeit rief.
    Es war das eine Abteilung von Leuten, die unter verschärfter Strafe

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