Alle lieben Merry
du wirst diese Sportarten nie unterscheiden können, habe ich recht?”
“Hey, ich war bei den Cheerleadern. Und habe getanzt. Es sind nur die Ballspiele, bei denen ich eine Wissenslücke habe. Aber egal. Wenn es nichts Sportliches ist, ist es eben ein wissenschaftliches Experiment. Oder das Naturkundeprojekt …”
“Heute haben wir gar nichts nach der Schule”, unterbrach Charlene sie und ratterte sogleich ihren Stundenplan für die restlichen Nachmittage herunter.
“Fein. Dein Haar wächst total schnell. Würdest du es dir nicht gern ein bisschen schneiden und stylen lassen?”
“Ich brauche keine neue Frisur. Ich brauche mehr Gel”, erwiderte Charlie lapidar.
Abwarten, dachte Merry. Sie hatte nämlich eine Idee. Wenn sie Charlene in einen Frisiersalon bekäme, wären sie in Merrys Element. Und das hieße, dass die Chance wesentlich größer wäre, Charlenes Geheimnis aus ihr herauszukriegen.
Sobald die Kleine in der Schule war, würde sie ohnehin Jack anrufen. Dann würde sie das Geheimnis erfahren und sich bis zur Haarkrise nach der Schule überlegen können, wie man mit dem Problem – egal, worum es sich handelte – umgehen sollte.
Ein guter Plan, fand sie.
Alles schien ein guter Plan zu sein, wenn man so umfassend und wunderbar geliebt worden war. Sogar beim Anblick des schmutzigen Geschirrs, das sich in der Spüle stapelte und scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht war, musste sie lächeln.
Das machte die Liebe mit einer Frau.
Es machte Jack nichts aus, als Dianne ihm am Telefon verkündete, dass ihre Geschäftsreise länger dauern würde. Er sollte die Jungs noch eine Woche bei sich behalten. Er wünschte, er könnte sie immer haben. Sogar wenn sie ihm auf die Nerven gingen, hatte er sie gern bei sich und konnte seine Arbeit meistens so organisieren, dass er sie den weiten Weg zu ihrer Schule fahren konnte. Die einzige Schwierigkeit war, sie in der Morgendämmerung aus dem Bett zu kriegen.
Eine Wurzelbehandlung konnte nicht anstrengender sein – und heute musste er zwei zusätzliche Jungs chauffieren. Doch nachdem er den Kraftakt hinter sich gebracht und das mürrische Grüppchen schließlich in den Wagen verfrachtet hatte, wurden die Jungs bald ruhig. Die drei auf dem Rücksitz machten sogar die Augen zu und schliefen wieder ein.
Während der langen Fahrt hatte Jack viel Zeit, die letzte Nacht mit Merry Revue passieren zu lassen. Wie er durch ihr Fenster eingestiegen war, weil Charlenes Problem ihn so beunruhigt hatte … Wie er versucht hatte, das Gespräch vorsichtig einzuleiten, dann ganz durcheinander gekommen und auf einmal mit ihr im Bett gelandet war. Dieses ‘auf einmal’ schien irgendwie die Regel bei ihnen beiden zu sein.
In Gedanken ging er den fantastischen Sex mit ihr wieder und wieder durch. Diese Frau gab bei einem Zusammensein mehr, als er in zwölf Ehejahren erlebt hatte. Sie war so … verschwenderisch zärtlich. So sinnlich, so offen, so großzügig.
So erotisch.
Jack versuchte zu verstehen, was mit ihm geschah. Was mit ihnen beiden geschah. Er hatte nie geglaubt, ein schlechter Liebhaber zu sein. Zumindest hatte es diesbezüglich nie Beschwerden gegeben. Aber als Dianne ihm damals eröffnet hatte, dass sie die Scheidung wollte, hatte er gedacht, dass es für ihn leichter zu verkraften gewesen wäre, wenn sie ihn wegen eines anderen Mannes verlassen hätte. Wegen ihrer Karriere den Laufpass zu bekommen war ihm als der ultimative Egokiller vorgekommen.
Die anderen Frauen, mit denen er seither geschlafen hatte, hatten ihm nicht geholfen, sein angeknackstes männliches Selbstbewusstsein wieder aufzubauen.
Er hatte gar nicht mehr damit gerechnet.
Und dann war Merry gekommen. Er hatte sie verführt – oder sie ihn. Wer von ihnen beiden die Initiative ergriffen hatte, konnte er gar nicht sagen. Aber sein altes Selbstbewusstsein war plötzlich wieder da und manifestierte sich gerade in einem breiten, euphorischen und – zugegebenermaßen – leicht idiotischen Grinsen.
Das durfte doch nicht wahr sein, oder?
Er hatte die ganze Nacht im Dunkeln vor sich hin gestarrt und dabei von einem Ohr zum anderen gegrinst.
Sie war nicht für ihn bestimmt, verdammt. Nichts an ihrer Beziehung stimmte. Sie hielt ihn für einen anständigen, guten Mann, für eine Art Held.
Die ganze Sache war ein riesiges Durcheinander. Kompliziert. Verwirrend. Beunruhigend. Warum also konnte er nicht aufhören, so dämlich vor sich hin zu grinsen?
Vielleicht brauchte er einen Psychiater, dachte
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