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Alle lieben Merry

Alle lieben Merry

Titel: Alle lieben Merry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Greene
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zu viel von seiner Sicht. Aber er konnte immerhin ihre nackten Schultern und die kleine Mulde im Nacken sehen.
    Ihre Stimme hatte nun einen sanften, warmen Klang. “Ich weiß, Jack, dass du gern hättest, dass ich dir Coopers Geheimnis erzähle. Ich habe diese Sache in meinem Herzen immer und immer wieder abgewägt. Ich vertraue dir. Ich würde dir mein Leben anvertrauen. Aber dein Sohn hat mich ebenfalls gebeten, ihm zu vertrauen. Ich finde keinen Weg, es euch beiden recht zu machen. Nun, ich möchte es dir sagen. Den Teil der Geschichte, von dem ich glaube, dass du als Elternteil ihn wissen solltest. Aber wegen der anderen Details würde ich es lieber Cooper selbst überlassen, ob er es dir erzählen will oder nicht.”
    Sie schwieg, als wartete sie auf seine Antwort. Und er wollte antworten. Er wollte sich einzig und allein auf seinen Sohn konzentrieren.
    Aber er konnte nicht aufhören, sie anzusehen. Es lag nicht an ihrer Nacktheit, dass seine Kehle plötzlich wie ausgetrocknet war. Es war nicht Lust. Doch, natürlich war Lust ein Thema. Sie war einfach wunderschön.
    Und genau das hatte er sich die ganze Zeit gesagt. Dass es ihre Schönheit war, die ihn so anzog. Es war eine Tatsache – ein Mann würde immer auf eine schöne Frau reagieren. Und wenn eine Frau auch ihn begehrte und deutliche Signale aussandte, dass sie mit ihm ins Bett wollte … Tja, dann vervielfachte sich das Begehren.
    Natürlich begehrte er sie in diesem Moment. Nur war es nicht der Gedanke an Sex, der ihm das Herz zusammenzog und es im Takt eines Blues-Songs heftig pochen ließ. Sex war nicht der Grund, warum er sich nicht bewegen, den Blick nicht von ihr abwenden und weder denken noch atmen konnte.
    Es war ein einziger Wassertropfen, der von ihrem Haar über die Schulter und den Arm hinunterrann.
    Es war die Art, wie sie ihre Hand bewegte … wie sie damit gestikulierte, obwohl niemand da war. Ihre Art, mit den Händen zu reden, mit diesen schlanken, feingliedrigen Händen … Das Handtuch, das zu Boden gerutscht war … Das nasse Haar …
    Es war die Erkenntnis, wie sehr er sich in sie verliebt hatte und um wie viel bunter und reicher sein Leben durch sie geworden war. Es war die Entdeckung, wie schrecklich einsam er gewesen war, ohne es die vielen Jahre überhaupt zu merken – weil sie es war, nach der er sich gesehnt hatte. Nach ihr – und keiner anderen.
    “Jack … was er mir erzählt hat – also der Teil, den du wissen sollst – war, dass dieses Mädchen ihm das Herz gebrochen hat. Sie hat ihn sehr verletzt, und zwar in jeder Hinsicht, in der ein Mädchen einen Jungen nur verletzen kann. Ich weiß, dass er erst fünfzehn ist und dass es immer einen Menschen gibt, der uns das Herz zum ersten Mal bricht. Aber er ist nicht so wie Kevin, weißt du? Kicker ist widerstandsfähiger und unbeschwerter. Cooper jedoch hat dieses Mädchen in sein Herz geschlossen.”
    Nicht, dass er nicht zuhörte. Das tat er sehr wohl. Nicht, dass sein Sohn ihm nicht wichtig war. Er würde in ein paar Minuten nach unten gehen und mit Coop den Abend verbringen. Irgendwann vor oder nach dem Kino würde er mit ihm über Frauen, Liebe und Liebeskummer reden. Er würde es tun, auch wenn er solche Gespräche ungefähr so gern mochte wie Rosenkohl.
    Er war der Vater, und er musste dieses Gespräch führen. Es gab niemanden, der es für ihn tun konnte.
    Aber das würde erst in einer Minute sein. Im Moment war noch immer die jetzige Minute. Und alles, woran er denken konnte – hier und jetzt in diesem dunklen Zimmer und gebannt von ihrem Anblick – war, wie in Gottes Namen das geschehen konnte. In seinem Alter? Sich so innig, so tief und so wahnsinnig in jemanden zu verlieben?
    “Jack, bist du noch da? Du sagst ja gar nichts.”
    “Ich bin da, ich …” Er bemerkte, dass sie sich plötzlich zum Fenster umgedreht hatte. Obwohl sie ihn nicht sehen konnte – zumindest konnte er sich nicht vorstellen, wie sie ihn im Dunkeln sehen sollte – schaute sie nicht nur direkt in die Richtung seines Schlafzimmerfensters, sondern presste auch noch ihre Handfläche an die Scheibe. Als wollte sie mit ihm in Verbindung treten. Als wollte sie ihn berühren.
    Nicht ihn. Einen Verrückten. Einen sentimentalen Verrückten. Einen sentimentalen, unreifen Verrückten, der mittlerweile den letzten Funken Verstand verloren hatte, den er je besessen hatte. Der wie von selbst seine Hand auszustrecken schien und sie ebenfalls flach gegen die Scheibe presste.
    Er wollte ihr antworten.

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