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'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
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den Hokey-Pokey-Hamster in Augenschein zu nehmen, darauf zu deuten und darüber zu lachen. Es sollte das Einzige sein, was Mikki und Ryan bei dieser Adoption bereuten: Nachdem sie zwei Wochen mit Mekdes, Yabsira und dem quäkenden Hokey-Pokey-Hamster in einem kleinen Apartment in Addis Abeba verbracht hatten, fürchteten sie ernsthaft um ihren Verstand.
    Und Yabsira ließ sich nicht austricksen: Eines seiner ersten englischen Wörter - das er im Befehlston von sich gab, als der Hokey-Pokey-Hamster verstummte - war »Batterien«.
    Der Hokey-Pokey-Hamster unterhielt sie die halbe Nacht. Schließlich entfernte Ryan eines Morgens kurz vor Tagesanbruch die Batterien und musste schwer an sich halten, um sie nicht vom Balkon auf die Straße zu werfen. »Hokey-Pokey muss jetzt schlafen, Yabsira«, sagte er durch zusammengebissene Zähne. Yabsira mochte zwar die englischen Worte nicht verstehen, aber ihre Bedeutung begriff er sehr wohl.
    An ihrem ersten gemeinsamen Abend badete Mikki die Kinder, rieb sie mit Lavendelöl ein und zog ihnen weiche, viel zu große Schlafanzüge an. Die beiden schenkten ihren eigenen Betten keinerlei Beachtung, sondern hüpften in das Doppelbett ihrer Eltern, auf dem sich Ryan erschöpft ausgestreckt hatte. Mikki ließ sich ebenfalls müde darauf fallen. Die Kinder krabbelten herum, streichelten Ryan und Mikki und küssten sie, spielten mit ihren Haaren und kitzelten sie unter den Armen, bis sie schließlich zwischen ihnen einschliefen.
    Früher an diesem Abend hatte Mikki Mekdes einen Kinderkoffer mit neuer Kleidung überreicht. Er enthielt baumwollene Jogginganzüge in Pastellfarben, Pullover, Blusen, Schlafanzüge, Socken, Unterwäsche. Das konnte doch nicht alles für sie sein? Alles für sie ? Als Mekdes begriff, dass die Sachen tatsächlich ihr gehörten, zog sie blitzschnell die grauen Sachen aus dem Waisenhaus aus und stellte sich vor Mikki. »Splitterfasernackt«, erzählte Mikki später Ryan, »und dabei strahlte sie wie ein Honigkuchenpferd.« Die Sachen waren Mekdes alle viel zu groß, aber sie war von jedem einzelnen Stück begeistert. Die ganze Woche schlurfte sie in ein Paar Turnschuhen herum, in die sie erst noch hineinwachsen musste.
    Am Tag der Abreise nach Amerika weckten Mikki und Ryan zuerst Mekdes. Es war drei Uhr morgens.
    »Amerika gehen, Mommy?«, fragte sie aufgeregt und schlüpfte in ein paar ihrer neuen Sachen. Gleich darauf geriet sie in Panik. »Yabsira, Mommy? Yabsira? Yabsira nicht Amerika, Mekdes nicht Amerika. Yabsira Amerika!«
    »Natürlich kommt Yabsira mit«, sagte Mikki.
    Der Flug war ein zwanzigstündiger Alptraum - Ryan ging es nicht gut, und Yabsira war nicht stillzukriegen: Er drückte ununterbrochen auf sämtlichen Knöpfen an seinem Sitz herum, bis schließlich eine Stewardess kam und die Anschlüsse praktisch herausriss. Er sang und johlte und trat gegen den Sitz in der Reihe vor ihm und schlug auf den Klapptisch ein und rannte auf die Toilette, wo es weitere Knöpfe gab, auf die man drücken konnte. Glücklicherweise hatte Ryan Hollinger an diesem Morgen so viel Geistesgegenwart besessen, den Hokey-Pokey-Hamster in einen Strumpf zu stecken und ganz tief unten in einem Koffer zu verstauen, den sie aufgaben.
    Sie kamen am darauffolgenden Nachmittag in Atlanta an und legten die letzte Dreiviertelstunde bis zu ihrem Haus in Snellville im Auto zurück. Mikki führte die Kinder in Yabsiras Zimmer.
    »Yabsiras Zimmer!«, erklärte sie und trat einen Schritt zurück, damit sich die Kinder die sonnengelb gestrichenen Wände mit der Fußballbordüre, die Decken auf den beiden Betten, die Lichtschalter und die Lampen, alles mit Bällen verziert, in Ruhe ansehen konnten.
    Mekdes strich über eines der Betten und sagte: »Yabsira!« Dann strich sie über das andere und sagte: »Mekdes!«
    »Nein«, sagte Mikki und klopfte zuerst auf das eine Bett und dann auf das andere. »Yabsira, Yabsira.«
    Alarmiert versuchte es Mekdes noch einmal. »Yabsira, Mekdes ?«
    »Komm«, sagte Mikki und führte Mekdes in das andere Zimmer, in dem Ryan einen Garten geschaffen hatte: hellgrüne Wände mit einem echten weißen Lattenzaun ringsherum, gemalte Schmetterlinge, die zwischen riesigen Blumen umherflatterten. »Mekdes’ Zimmer!«, sagte Mikki.
    Mekdes stieß einen Schrei aus. Sie warf sich auf das nächststehende Bett und umarmte die weiche Bettdecke. Dann hob sie den Kopf und fragte: »Amerika?«
    Mikki setzte zu einer Erklärung an, doch dann sagte sie einfach nur:

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