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'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
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warnen afrikanische Sänger die Tiere und fordern sie auf, ein Loch zu graben und sich zu verstecken, bevor die Hyänen kommen. Die Tänzerinnen stellen pantomimisch dar, wie sie den Horizont nach Hyänen absuchen, ein Loch graben und hineinspringen, um sich zu verstecken.
    Wie immer sehen einige Kinder die ganze Zeit nur zu ihrer Lehrerin, die hinter der Bühne steht und Anweisungen gibt, und kein einziges Mal ins Publikum; ein paar Tänzerinnen drehen sich nach links statt nach rechts und stoßen mit denen zusammen, die es richtig gemacht haben; eines der Mädchen verliert seine bestickte Kopfbedeckung und traut sich nicht, sie aufzuheben, obwohl es jedes Mal einen sehnsüchtigen Blick darauf wirft, wenn es daran vorbeispringt. Das Publikum lacht und jubelt - mit Ausnahme von Mekdes’ vierjährigem Bruder Yabsira. Als das erste Mal vor den Hyänen gewarnt wird, ruft er: »Ich mag das nicht.« Als die Tänzerinnen so tun, als würden sich die Hyänen nähern, verschwindet Yabsira unter seinem Sitz und bleibt für den Rest des Auftritts dort.
    Allzu schnell ist es vorbei, und die Kinder gehen unter dem tosenden Beifall und den Bravorufen der Zuschauer von der Bühne ab. Mekdes tritt scheu aus der Garderobe in das Blitzlichtgewitter der Kamera ihres Vaters. Sie nimmt Blumensträuße und Küsse von ihren Bewunderern entgegen. Gnädig lässt sie sich zum Mittagessen in ein nahe gelegenes Restaurant einladen und verlässt die überfüllte Lobby des Gwinnett Center an der Hand ihres Vaters.
     
    In Snellville, Georgia, vierzig Kilometer östlich von Atlanta, glätteten Planierraupen das gefurchte Ackerland, damit es in Parzellen unterteilt werden konnte. Entlang der Staatsstraße grasen noch ein paar Kühe, aber ihr Weidegrund wird immer kleiner. Nachts lassen die Lichter neuer Einkaufszentren und Kinopaläste den Himmel erstrahlen. Noch funkeln hoch oben ein paar Sterne wie früher, aber sie wirken verstaubt und altmodisch, wie Öllampen, mit denen man hier vor hundert Jahren Licht gemacht hat.
    Das neue Backsteinhaus der Hollingers ist mit Hochzeitsfotos in Goldrahmen geschmückt, und dem Porzellan und den Gläsern haftet noch die Neuheit eben erst ausgepackter Hochzeitsgeschenke an. Ryan, sechsunddreißig, ist im ländlichen Ohio aufgewachsen und hat immer noch etwas von einem fußballspielenden Bauernburschen. Seine Mutter war Krankenschwester, sein Vater Fabrikarbeiter, sein Stiefvater Buchhalter. Ryan Hollinger ist weiß, blond, kräftig gebaut und blauäugig, seine Haare sind kurz geschnitten und mit Gel in Form gebracht. Er trägt einen goldenen Ohrstecker. Er arbeitet im Bereich Softwarevertrieb und Grafikdesign.
    Malaika Jones Hollinger, vierunddreißig, hat immer noch etwas von der ehemaligen Musterschülerin. Sie trägt einen kessen Pony und bewegt sich mit der Präzision und aufrechten Haltung einer Ballerina. Ihre Mutter war Kindergärtnerin, ihr Vater Koch in New Orleans. Sie arbeitet im Gesundheitswesen.
    Ryan ist der typische Weiße aus Ohio mit französischen, deutschen und irischen Vorfahren , schrieb sie in ihr Tagebuch, als sie ihn in Houston kennenlernte, wo sie aufs College ging. Ich bin eine dunkelhäutige Frau mit afrikanischen und französischen Vorfahren. Wenn man Mommas Stammbaum nachgeht, landet man irgendwann bei den französischsprachigen milchkaffeebraunen katholischen Kreolen.
    Ryan liebt das Land, weil seine Familie einmal viel davon besaß. Er ist in einem großen Haus auf einer Farm aufgewachsen. Ich mag das Wasser, weil ich es so gut kenne. Direkt vor unserem Haus begannen die Sümpfe, voller Zypressen und Lousianamoos und Reiher.
    Später würde Mikki fragen: »Wann wusstest du, dass ich die Richtige bin?«, und Ryan würde antworten: »Auf der Stelle.«
     
    Sie heirateten am 18. März 2000 in New Orleans, unter einem schwarzen Himmel, über den Sturmwolken jagten. Auf ihrer Hochzeit waren dreihundert Gäste.
    Ryan ist ein Gentleman, ein Romantiker, ein Künstler, ein hervorragender Koch. Mindestens ein Mal pro Woche veranstalten wir ein Dinner bei Kerzenlicht. Die Essenseinladungen der Hollingers haben bei unseren Freunden einen legendären Ruf. Er ist der rücksichtsvollste Mann auf der Welt. Er und Momma telefonieren jeden Abend miteinander. Sie reden häufiger miteinander als Momma und ich.
    Ich denke nur selten daran, dass man das, was wir führen, als »Mischehe« bezeichnet. Die Gesellschaft ist gut zu uns gewesen. Ich denke nie darüber nach, dass Ryan weiß ist.
    Na ja, das

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