'Alle meine Kinder'
neben der Straße vermischt sich mit Kies, Streusalz und verdrecktem Wasser. Ein Wintertag im Norden in seiner trostlosesten Form - die Eisdecke auf Teichen und Flüssen ist angetaut und trübe, von jeder Dachrinne und aus jedem Regenrohr tropft es. Der Wind treibt feinen Nieselregen vor sich her und entlockt den kahlen Ästen ein morsches Knacken.
Aber im Innern des alten Farmhauses mit dem abblätternden Anstrich gibt es viel, was den hüpfenden Jungen in Aufregung versetzt: Mommy hat gesagt, dass im Fernsehen jetzt bald die Zeichentrickserie SpongeBob kommt, die er sich zusammen mit seiner fünfjährigen Schwester Violet (die als Baby aus China adoptiert wurde, aber das weiß der Junge nicht) ansehen wird; Mommy wird ihnen Saft, Käse und Kräcker hinstellen; er und Violet werden auf den hölzernen Kinderstühlen an dem hölzernen Kindertisch sitzen und sich die Folge ansehen. Seine Mutter erinnert ihn daran, dass die Kräcker rund sind, dass der Saft gelb ist, dass seine Papierserviette viereckig ist. Seine beiden großen Brüder, Dawson, zwölf, und Tim, fünfzehn (die die leiblichen Kinder der Eltern sind, aber das weiß der Junge auch nicht), haben versprochen, ihn später zu ihrem Freund mitzunehmen und Basketball mit ihm zu spielen. Einer der großen Brüder wird ihn vielleicht Huckepack nehmen, wenn sie über das Feld laufen, da der kleine Junge mit seinen Schneestiefeln oft im Matsch stecken bleibt. Seine Brüder werden ihn den Basketball in der Einfahrt herumrollen und herumspringen lassen, und sie werden ihn so hoch in die Luft heben, dass es ihm vorkommen wird, als würde er unter dem wolkenbedeckten grauen Himmel schweben, der riesige schwarze Metallring wird vor ihm auftauchen, und er wird seine ganze Kraft aufbieten und sich strecken und den schweren Ball hochwuchten und über den Rand durch das Netz fallen lassen, und die großen Jungen werden Bravo rufen und ihm auf die Schulter klopfen.
Ababu, der infolge einer Laktoseintoleranz beinahe verhungert wäre, gefällt es, wenn man ihm auf die Schulter klopft. Es gefällt ihm fast so sehr, wie den großen Ball zu packen und in Tims Armen dem Ring entgegenzuschweben.
Und dann, das Beste von allem, das Tollste von allem, wird sich das täglich wiederkehrende Wunder ereignen, das den Jungen dazu bringt, wie wild zu schreien und herumzuturnen und noch breiter zu lachen, bis von seinen Augen nur noch schmale Schlitze übrig sind: Daddy kommt von der Arbeit nach Hause! Daddy kommt jeden Tag von der Arbeit nach Hause (Dave Armistead, bärtig und mit einem einzelnen silbernen Ring im Ohr, Button-down-Hemd und Khakihose, unterrichtet an der Highschool von Williamston Geschichte und Sozialkunde). In dem Moment, in dem Ababu seinen Wagen in der Einfahrt hört, das Knirschen eis- und salzverkrusteter Lederstiefel auf der hinteren Veranda, schießt er aus dem Wohnzimmer in die Küche, selbst wenn SpongeBob noch läuft, und führt Freudentänze auf, er fasst sich in den Schritt und tanzt und springt vor Freude, weil Daddy - ja, Daddy! - wieder nach Hause gekommen ist.
Von dem Augenblick an, in dem Dave die kühlen holzgetäfelten Räume betritt - und zum Ziel eines kreischenden menschlichen Geschosses wird -, bis zu dem Moment, in dem sich Ababus Arme zur Schlafenszeit von seinem Hals lösen, hängt Ababu an ihm, vergräbt sein Gesicht an Daves Hals, küsst ihn, streichelt seinen Bart. Wenn er nicht an ihm hängt, presst er sich an ihn, eine seiner kleinen Hände auf Daves Ärmel oder seiner Schulter oder an seinem Hosenbein, oder er läuft neben ihm her, hält die Arme hoch und fragt: »Du tragen? Du tragen?«
Ababu liebt seine Mutter und seine neuen Geschwister, er kommt gut mit seinen Betreuern in der Kindertagesstätte und den Vorschullehrern zurecht, er mag SpongeBob und Käse und Kräcker und das Zimmer, das er sich mit Violet teilt (auf den beiden Matratzen liegen jede Menge Wolldecken und alte Stofftiere mit wackligen Hälsen, während sich barfüßige Barbiepuppen in Abendkleidern auf Zehenspitzen um den Schrank herumdrängen). Aber Dave Armistead ist der Mittelpunkt seines Lebens. Wenn Dave nach Hause kommt, sollten Zimbeln erklingen, Fanfaren, Mendelsohns »Hochzeitsmarsch« oder Beethovens »Ode an die Freude«. Es gibt auf der ganzen Welt keinen glücklicheren Jungen als Ababu Armistead, wenn Daddy von der Arbeit nach Hause kommt.
Dave erwidert seine Liebe, jetzt, und bedauert nichts, aber in den ersten Monaten sagte er manchmal niedergeschlagen zu
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