Alle Menschen werden Schwestern
gebührt und jahrtausendelang verweigert wurde, und wir sichern es. Wir sind Frauen und wollen folglich in der Sprache nicht als Männer und als männlich verunkenntlicht werden (auch nicht von sprachunkritischen Frauen):
»Erst war ich Arbeitsgruppenleiter in einer Obstbaubrigade, danach FDJ-Sekretär, dann brauchten sie mich im Gemüsebau. Ich habe 24 Mann in der Brigade, 23 Frauen .« 53 (Aus einem Interview mit einer Arbeiterin, DDR)
Sketch
Vatersprache im Mutterland oder Kauderwelsch auf Patriarchalisch Wir befinden uns in einer reinen Frauengruppe:
U: Hallo, fehlt noch einer, oder können wir anfangen?
B: Alle da. Ich möchte noch vorschlagen: Jeder, der rauchen möchte, soll rausgehen.
U: Wieso, wem unser Rauchen hier nicht paßt, der soll doch heimgehen.
B: Vertragt euch, sollen halt die Raucher hinter die Trennwand gehen. Jedem das Seine.
U: Übrigens, letztes Mal hat jemand seinen Schal hier vergessen, falls er einem von euch gehört, hier ist er.
B: Habt ihr gehört? Zum ersten Mal ist jemand in den Stadtrat gekommen, den wir persönlich kennen, nämlich Sabine.
U: Ja, toll, sie ist ein Mensch, der seine und unsere Interessen dort gut vertritt.
B: Jetzt fangen wir aber mal an. Ich finde es nicht gut, wenn man seine Zeit so vertrödelt.
U: Hat jeder seine Unterlagen vor sich?
Und nun das Ganze noch mal in Frauensprache:
U: Hallo, fehlt noch eine} Oder können wir anfangen?
B: Alle da. Ich möchte noch vorschlagen: Jede, die rauchen möchte, soll hinausgehen.
U: Wieso, eine, der unser Rauchen nicht paßt, soll doch heimgehen.
B: Vertragt euch, sollen halt die Raucherinnen hinter die Trennwand gehen. Jeder das Ihre.
U: Übrigens, letztes Mal hat eine ihren Schal hier vergessen, falls er einer von euch gehört, hier ist er.
B: Habt ihr gehört? Zum ersten Mal ist eine in den Stadtrat gekommen, die wir persönlich kennen, nämlich Sabine.
U: Ja, toll, sie ist eine Frau, die ihre und unsere Interessen dort gut vertritt.
B: Jetzt fangen wir aber mal an. Ich finde es nicht gut, wenn wir unsere Zeit so vertrödeln.
U: Hat jede ihre Unterlagen vor sich? 5 4
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In der DDR ist solcher Sprachgebrauch noch heute die Norm, während in der BRD gerade im letzten Jahr (1985) erstaunliche Veränderungen offiziell durchgesetzt wurden. So haben die Obersten Hessischen Landesbehörden festgelegt, »die männliche Form einer Bezeichnung könne nicht als Oberbegriff angesehen werden, der die weibliche und männliche Form einschließt«. 55 Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat sich dieser Sprachregelung in einem »Runderlaß über die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Vordrucken« angeschlossen.
Dennoch ist dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wie eine gründliche Lektüre von Mary Dalys Werken Gyn/Ecology (1978, dt. 1981) und Pure Lust (1984) alsbald klarmacht. Um es an einem Beispiel aus einem anderen Bereich von Unterdrückung zu verdeutlichen: Eine »Dritte-Welt-Frau« nahm an einem »Dritte-Welt«-Kongreß teil und beschämte die anwesenden »nicht-drittweltigen« Frauen mit der Kritik, für sie sei der Ausdruck Dritte Welt nicht nur diskriminierend, sondern eine Lüge, eine groteske, unverschämte semantische Verzerrung. Sie benutze deshalb ausschließlich den Terminus Wirts-Welt (host world). 56 Die Implikation ist klar und treffend; sie trifft uns, die Parasiten der Wirts-Welt. — Nach dem schlichten Umkehrprinzip hätte die Frau die »Dritte« einfach zur »Ersten Welt« erklären können, was wahrscheinlich als kühner, aber relativ folgenloser Selbstbehauptungsakt, als reine Sprachkosmetik, bewertet worden wäre. Sprachliche Umkehrung leistet sicher etwas, aber in vielen Fällen richtet eine zur Sprache gebrachte ganz andere Perspektive mehr aus. Mit dem Begriff »host world« wurde eine solche Perspektive gefunden: Aus einem eine ganze »Welt« auf den dritten Platz verweisenden Terminus wurde eine Anklage der ausgebeuteten gegen die parasitäre Welt.
Mary Daly nennt diese Strategie »targeting/humiliating the right objects«. Über die Umkehrstrategie sagt sie: »it has an >odor< of mere reactive maneuvering, which is humiliating to women .« (1978: 24). Aus diesem Grund zieht Daly z. B. den Ausdruck Prehistory dem Wort herstory vor: » Her-story , I think, shortcircuits the intent of radical feminism by implying a desire to parallel the record of men’s achievements. It fails because it imitates male history .« (1978: 24). Feministische Wortschöpfungen wie
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