Alle Menschen werden Schwestern
Schreibweise Leserinnen, Arbeiterinnen, die von der Totalen Feminisierung ja wirklich nur noch durch einen winzigen Klecks Druckerinnenschwärze entfernt ist...
1986-89
Das dritte Geschlecht
Schriftliche Kleine Anfrage des Hamburger Bürgerschafts-Abgeordneten Günter Eiste (SPD): Betr. das Wort »Lehrerinnen« in der Meldung der Staatlichen Pressestelle.
»Ich frage den Senat: Wie lautet die Definition des Begriffes >LehrerInnen Welches Geschlecht haben >LehrerInnen Handelt es sich nach Meinung des Senats um eine neue Wortschöpfung, die bereits Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat? a) Wenn nein, beabsichtigt der Senat, sich zukünftig solcher Begriffe zu bedienen, etwa bei der Formulierung von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften oder Dienstanweisungen, um sich begriffsschöpfend zu betätigen? b) Wenn ja, hat die Schulbehörde bereits begonnen, entsprechende Änderungen der Lehrpläne für den Deutschunterricht vorzunehmen, oder werden ähnliche Begriffe bereits heute in den Arbeiten von Schülern nicht mehr beanstandet? Beabsichtigt der Senat zukünftig, ähnliche Begriffsschöpfungen als einen Beitrag zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern bei seiner Öffentlichkeitsarbeit zu verwenden? wie hätte nach meinung des senats die Schreibweise des im betreff genannten begriffs bei einer etwa durch eine änderung der lehrpläne einzuführenden gemäßigten kleinschreibung zu erfolgen, und hält der senat etwaige probleme bei der Schreibweise für ausschlaggebend, um auf die einführung der kleinschreibung zu verzichten?«
Wir wissen nicht, was der Senat empfiehlt. Frau Duden empfiehlt für diesen Fall: lehrerInnen oder LEHRERINNEN.
DIE ZEIT — Nr. 3 - 13 . Januar 1989
Mary, please don’t pun-ish 68 us any more!
Mary Daly, die Sprache und die deutschsprachige Leserin
Mary Dalys Reine Lust 69 wiegt 860 Gramm, die gebundene Fassung des Originals (Pure Lust ) wiegt 820 Gramm. Seit dem Erscheinen der deutschen Übersetzung im Mai 1986 schleppe ich diese beiden dickleibigen Wälzerinnen (Gesamtgewicht: fast 2 Kilo!) in der Gegend herum, habe ich doch verschiedenen Zeitungen leichtsinnig versprochen, eine Rezension zu schreiben. Mein Leben besteht zur Zeit aus Schreiben und Vortragsreisen. Zum Lesen komme ich nur in der Deutschen Bundesbahn und abends im Bett (dort sind so schwere Bücher besonders drückend und beschwerlich). Mary, Deine (Sch)Werke fordern wahrhaft die ganze Frau, kosten uns nicht nur viel Geld, sondern auch viel Kraft, nicht nur geistige, sondern sogar körperliche!
Aber dafür geben sie uns natürlich auch viel Kraft, »Gynergie«. Die wichtigsten Einsichten über die Struktur des Patriarchats verdanke ich der radikalen Denkerin Mary Daly und verehre und achte sie deshalb wie keine andere zeitgenössische Denkerin. Dies sage ich, um meine nun folgenden kritischen Ausführungen zum Thema »Mary Daly und die Sprache« unmißverständlich in den richtigen Kontext zu stellen.
Ich habe mit vielen deutschsprachigen Leserinnen über Mary Dalys Sprache gesprochen: Etwa die Hälfte ist hingerissen, fasziniert, begeistert — die andere Hälfte dagegen genervt bis angeödet: »Mary ist ja toll, klar, aber diese ständige Wortspielerei und das Etymologisieren — gräßlich, macht das Lesen manchmal zur Qual! Wenn sie diese Marotte doch bloß lassen könnte!«
Frau spürt beim Lesen der Texte Mary Dalys ihre unbändige Lust beim spielerischen Umgang mit Wörtern; in vielen Fällen erlebt die Leserin dann, nachvollziehend, wohl eine ganz ähnliche Lust — jedenfalls die englischsprachige oder des Englischen mächtige Leserin. Die deutsche Übersetzung von Gyn/Ökologie, so bewundernswert sie Erika Wisselinck gelungen ist, habe ich nie zu Ende gelesen, dafür das Original mehrfach und mit großem Gewinn. Ja, ich habe mir die deutsche Übersetzung überhaupt nur deshalb partienweise »angetan«, weil der Vergleich des Originals mit der Übersetzung ein so spannendes linguistisches Thema ist und ich als Linguistik-Dozentin und Feministin auf »Stoff« angewiesen bin, Lehrstoff für Seminare beispielsweise, Themen für Seminararbeiten. Mary Daly und Erika Wisselinck bieten da so viel »Stoff« für linguistische, speziell übersetzungstheoretische, Diskussionen und Feinanalysen aller Art, daß ich bis ans Ende meiner Tage ausgesorgt haben könnte. Aber es war wohl kaum die Absicht Mary Dalys, Stoff für feministisch-linguistische Seminare zu liefern.
»Aus dem Amerikanischen
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