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Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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übertragen von Erika Wisselinck« heißt es auf der Titelseite. Diese Formulierung ist aufschlußreich und führt mitten hinein ins Problem der Sprache dieses Buches — eines Buches, das wie ganz wenige andere gerade die Sprache problematisiert, dabei so viel Richtiges und Wichtiges trifft und doch in vielem auch völlig schiefliegt.
    » Das Amerikanische« gibt es nicht. Gemeint ist natürlich das US-amerikanische Englisch — im Gegensatz zum britischen Englisch. Bekanntlich besteht Amerika aus Süd-, Mittel- und Nordamerika. Niemals aber wird etwa das argentinische Spanisch (oder gar eine der vielen Indianerinnen 70 -Sprachen Amerikas) Amerikanisch genannt — weil halt »Amerika« (wie viele ja die USA zu nennen pflegen) die mächtigere Nation, ja die mächtigste Nation überhaupt ist. Kurz und gut bzw. schlecht: Amerikanisch (statt amerikanisches Englisch ) ist ein ebenso arrogant-vereinnahmen-des Wort wie man (das engl, wie auch das deutsche man).
    Das Englische ist heute die Weltsprache — nicht etwa, weil so viele diese Sprache als Muttersprache gelernt haben (wenn es danach ginge, wäre Chinesisch die Weltsprache), sondern weil die USA die mächtigste Nation der Welt (bzw. Erde) sind. Mary Dalys Muttersprache ist nun zufällig (amerikanisches) Englisch — diese Tatsache sichert ihr einen breiten Leserinnenkreis. Das ist für die Sache des Feminismus ein großer Vorteil — je mehr Frauen ihre Werke lesen/verstehen können, um so besser! Einen guten Teil dieses Vorteils verspielt Mary Daly allerdings durch ihren speziellen Umgang mit der Sprache. Hier eine Kostprobe:
    »In this Realm, Websters see Stamina as its own reward. Here thinking is also thanking; the Wonderers weave wonders. Sensing the rhythms of a Gnomic Present, Prudes explore the States of Grace. Structurally, these are three: Be-longing, Be-friending, Be-witching. Cheered by such progress, Norns announce the founding of Gnostic Nag-Nations.« (Pure Lust, p. 32) Uff! Ich habe zwar neun Jahre Englisch studiert, aber wenn ich arglos in so eine Textstelle hineinstolpere, schnalle ich erstmal ab, habe Lust, Pure Lust in die Ecke zu pfeffern. Mal sehen, ob Erikas Version verständlicher ist:
    »In diesem Bereich sehen die Webfrauen Stamina als Selbstzweck. Hier ist denken zugleich danken; die Wunderinnen weben Wunder. Den Rhythmen eines gnomischen Präsenz 71 nachspürend, untersuchen wir stolzen Prüden die Zustände der Gnade/den Status der Grazien. Strukturell sind es drei: er-sehnen, zu-neigen, ver-zaubern. Von solchem Fortschritt beflügelt, kündigen die Nornen die Gründung einer gnostischen Näx-Nation an.« (Reine Lust, S. 48) Nein, das kapiere ich auch nicht. Marys Texte wollen halt hingebungsvoll studiert sein (wie die Bibel) — nicht bloß mal flüchtig angelesen! Und weil das so ist, gründen Frauen voller Ehrfurcht und Elan Mary-Daly-Lese-, Studier- und Diskussionskreise, die sich allerdings meist bald wieder auflösen, weil Frauen eh zu viel zu tun und zu wenig Zeit haben.
    Dunkel raunende Textstellen wie die soeben zitierten gehören zum »hymnischen, beschwörenden« Stil der Mary Daly. Ich bevorzuge — ganz entschieden — die kühle, präzise, lakonische, leidenschaftlich-kühne Analytikerin Daly! Aber die Analytikerin ist ohne die Hymnikerin nicht zu haben — leider.
    Für die meisten Menschen, die Englisch verstehen, ist Englisch eine Fremdsprache — vom Lateinischen und Griechischen, die Daly häufig für ihre Argumentationen/»Beweise« heranzieht, haben nur die wenigsten eine Ahnung. Mit anderen Worten: Überall da, wo Mary Daly mit Wörtern spielt oder ihre Argumente etymologisch illustriert/begründet/fortspinnt, ist sie für die meisten ihrer potentiellen Leserinnen wenn nicht unverständlich, so doch äußerst mühsam. Ungefähr mögen wir mitkriegen, was Mary jeweils gemeint hat — aber die volle Bedeutung eines Wortspiels erschließt sich nur der muttersprachlichen Leserin, die volle Bedeutung einer etymologischen Argumentation nur der »klassisch-philologisch« gebildeten Leserin. Die Problematik der unübersetzbaren Wortspiele ließe sich verkraften, wenn Mary Daly mit diesem Stilmittel sparsam umginge. Gerade das tut sie aber nicht, vielmehr nimmt ihr Hang zum Wortspiel von Werk zu Werk zu. Erika Wisselinck schreibt:
    »Eine Reine Lust war die Übersetzungsarbeit an diesem Buch nicht, denn stärker noch als in GYN/ÖKOLOGIE verwendet Mary Daly hier raffinierte hintersinnige Wortspiele nicht nur in Doppel-,

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