Alle muessen sterben
österreichweiten privaten Fernsehsender und hatte mit „Be-Kant“ eine wöchentliche Livesendung, die sie selbst als Qualitäts-Journalismus bezeichnete, die aber in Wirklichkeit eine Plattform für Prominente war, die sich dort ungeniert in Szene setzten.
Gerne hätte Petra jetzt eine Zigarette geraucht, aber sie wusste, dass sie das ihrem Gegenüber nicht zumuten konnte. Ihr Gegenüber war Kim Klinger, mit der sie gemeinsam die Journalistenakademie besucht hatte und die sie, einer spontanen Eingebung folgend, einfach in der Reha-Klinik besucht hatte. Beide hatten gemeinsam bei der Tageszeitung „Morgenpost“ gearbeitet, während Kim für den Gerichtsteil zuständig war, hatte Petra von Kant sich mit den Linzer Kriminalfällen herumzuschlagen. Genauso wie Kim hatte sich auch Petra mit dem unfähigen Chefredakteur Bauer angelegt und war dann zu einem kleinen privaten TV-Sender gewechselt. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie ihr Talent für oberflächlichen Small Talk mit Promifaktor erkannt und eine eigene VIP-Show produziert, die aber schnell floppte, da Petras Fragen zu kritisch waren. Erst als sie ihr journalistisches Denken entsorgte und sich zum Hofberichterstatter diverser Promi-Familien machte, begann ihr Stern aufzugehen.
Obwohl beide gleich alt waren, fand Petra, dass Kim in den Monaten der Reha um Jahre gealtert war, daran konnte auch die stylische Lederkappe nichts ändern, die Kim auf dem Kopf trug. Durch die Therapie hatte Kim wohl alle Haare verloren, das jedenfalls mutmaßte sie und lächelte Kim aufmunternd an.
„Gut siehst du aus, Kim. Die viele Ruhe tut dir anscheinend richtig gut. Hier gibt es ja weder Männer noch Alkohol, wie im Mädchenpensionat, findest du nicht?“
„Bist du hierhergekommen, um mit mir über die Klinik zu sprechen?“, fragte Kim mit müder Stimme, was an den schweren Tabletten liegen musste, die sie gerade aus einer Plastikschale klopfte und ohne Wasser schluckte.
„Ich hatte hier in Gmunden zu tun und da dachte ich, dass ich einfach bei dir vorbeischaue.“ Petra machte eine kurze Pause und betrachtete nachdenklich Kims aschfahle Haut, die in krassem Gegensatz zu dem wachen Blick aus ihren grünen Katzenaugen stand.
„Was macht dein Buch? Es wird sicher ein Bestseller! Nach all dem, was du erlebt hast! Das muss doch der Traum für jeden Journalisten gewesen sein!“ Der Enthusiasmus von Petra war echt, denn sie beneidete Kim um die Chance, ein Buch über ihre Erlebnisse veröffentlichen zu können. Nicht alle Journalisten hatten die Chance, hautnah bei der Aufklärung einer Mordserie mitzuhelfen, so wie es Kim bei den spektakulären „Taubenmädchenmorden“ gelungen war.
„Geht so“, sagte Kim schleppend. „Ich kann mich nicht richtig auf die Story konzentrieren, aber Tony Braun hilft mir dabei.“
„Ach, du bist noch mit diesem Chefinspektor zusammen?“ Interessiert setzte sich Petra auf. „Ein sehr aufregender Mann. Er ist ja eine richtige Berühmtheit bei der Polizei, seit er diesen spektakulären Fall aufgeklärt hat. Erzähle! Besucht er dich hier?“
„Ich war nie mit ihm zusammen. Außerdem habe ich ihm verboten, mich zu besuchen“, raunte Kim. „Wir führen nächtliche Telefongespräche, manchmal mehrere Stunden lang.“
„Auch eine Möglichkeit für eine Beziehung“, nickte Petra und sah, dass Kim ihr Smartphone aus ihrer abgewetzten Lederjacke zog.
„Machst du ein Foto von mir?“, fragte Kim und Petra sah sie erstaunt an.
„Hast du noch immer deine Fotosammlung ,Kim of Destruction‘?“
„Ja, das gebe ich nicht so schnell auf.“
„So wie du jetzt aussiehst“, kam es Petra spontan über die Lippen und sie verwünschte sich sofort für diese Aussage. „Ich meine nur, du bist ja krank und nicht geschminkt und ...“
„Schieß einfach ein Foto von meinem Gesicht. Zoom es ganz nahe heran, ich setze mich dort drüben unter das Neonlicht!“
„Aber da sieht man doch jede Falte“, schüttelte Petra verwirrt den Kopf.
„Eben! Genau darum geht es.“ Unendlich langsam erhob sich Kim aus ihrem Stuhl und stützte sich auf Petra. „Diese Pharmascheiße bringt mich noch um“, stöhnte Kim, als sie auf der Terrasse entlanggingen und der Regen über die Markise, die man zum Schutz gegen die Nässe aufgespannt hatte, lief.
Ohne nach links oder rechts zu blicken, ging Kim langsam durch den großen Aufenthaltsraum und setzte sich dann neben den Eingang unter eine flackernde Neonröhre.
„Los, hier machst du das Foto“, befahl
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