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Alle muessen sterben

Alle muessen sterben

Titel: Alle muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. C. Schiller
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sie Petra, die nur noch entsetzt den Kopf schüttelte.
    „Wenn du meinst.“ Mehr sagte sie nicht, doch Kim konnte ihr ansehen, dass sie langsam an Kims Geisteszustand zweifelte. Als sie mehrere Fotos mit dem Handy geschossen hatte, gingen sie beide durch das Foyer nach draußen. Unter dem Vordach stand eine schlanke, blonde Frau, die gedankenverloren in die Ferne blickte. Als sie Petra bemerkte, hob sie die Hand und tippte auf ihre große Armbanduhr.
    „Kennst du die Frau dort?“, fragte Kim.
    „Das ist Xenia Hansen, die Pressesprecherin von Red Zorn“, erklärte ihr Petra. „Ich habe sie hier in Gmunden getroffen und wir fahren gemeinsam nach Linz in die Fabrik.“
    „Natürlich! Du machst ja diese Sendung über prominente österreichische Familien“, nickte Kim.
    Petra von Kant lächelte gequält, denn eigentlich hatte sie vorgehabt, eine Homestory in der Villa zu drehen und dafür den Familienpatriarchen Zoltan Zorn zu interviewen. Doch daraus war nichts geworden, denn Zoltan Zorn war wegen dringender Geschäfte verhindert gewesen, das jedenfalls sagte ihr die Pressesprecherin des Unternehmens, Xenia Hansen. Also hatte man sich nach langem Betteln von Petra darauf geeinigt, in der Fabrik in Linz zu drehen und ein kurzes Interview mit Edgar Zorn zu machen, der gerade von einer Auslandsreise zurückgekehrt war. Dafür durfte Petra als eine Art Entschädigung die brandneue Kollektion von Red Zorn mit dem Namen „Burning Souls“ exklusiv in ihrer Live-Sendung präsentieren.
    „Ach, weißt du, Kim, diese altmodischen Homestorys interessieren mich nicht mehr. Ich will diese Unternehmerfamilien jetzt dort zeigen, wo sie etwas bewegen, deshalb drehe ich meinen Beitrag auch in der Fabrik von Red Zorn in Linz. Das ist innovativer Journalismus. Hallo, Kim! Bist du noch da?“
    Sachte rüttelte sie Kim, die völlig abwesend am Geländer stand und in den Regen starrte.
    „Ich habe das Gefühl, als würde das Schaben und Kratzen in meinem Kopf wieder einsetzen, als würde Samsa aus einem langen Schlaf erwachen und seinen monatelangen Rundgang durch meine Gehirnwindungen wieder fortsetzen.“
    Mit beiden Zeigefingern massierte Kim ihre Schläfen. Kim war mit einem Mal kreidebleich und hatte plötzlich schwarze Ringe unter den Augen. Petra rückte unauffällig von ihr ab, rational wusste sie natürlich, dass Kims Krankheit nicht ansteckend war, aber was war in der heutigen Zeit schon rational? Die Börsen waren irrational, weshalb sollten es Krankheiten nicht auch sein? Also war es besser, auf Distanz zu gehen und sich das positive Lebensgefühl nicht durch den Anblick einer Kranken verderben zu lassen.
    „Wie heißt eigentlich dein Buch?“, fragte Petra, um das Thema zu wechseln und um möglichst schnell verschwinden zu können. Jetzt bereute sie es ein wenig, Kim besucht zu haben, denn deren deprimierende Aura begann sich auch langsam auf Petras Gemüt niederzuschlagen.
    „Requiem für die verschwundenen Mädchen“, antwortete Kim und blickte gedankenverloren ins Leere.
    „Ein schöner Titel.“ Anerkennend nickte Petra und knipste ihr Lächeln wieder an.
    „Ein schöner Titel für eine hässliche Geschichte“, seufzte Kim, die jetzt ihre Zeigefinger so fest an die Schläfen drückte, als würde sie damit ihren Schädel aufbohren.
    „Frau von Kant, können wir jetzt fahren?“ Plötzlich stand Xenia Hansen hinter ihnen und Kim und Petra zuckten überrascht zusammen. „Herr Zorn hat einen straffen Terminplan und nur wenig Zeit übrig für diesen Promi-Kram. Kann ich mit Ihnen nach Linz zurückfahren?“
    Xenia Hansen lächelte herablassend und Petra musste wieder an ihr Honorar denken und die kleinen, feinen Urlaube, die sie sich damit leisten konnte.
    „Liebe Frau Hansen, nichts täte ich lieber als mit Ihnen nach Linz zu fahren, da können Sie mir ja sicher schon einiges über den unglaublichen Werdegang der Familie Zorn berichten“, antwortete Petra zuckersüß.

    Kim sah den beiden Frauen nach, die im strömenden Regen schnell die Treppe von der Terrasse nach unten gingen und über den Parkplatz zu Petras Wagen liefen. Das Schaben in ihrem Kopf hatte an Intensität zugenommen und plötzlich schien sich ihre Perspektive zu verändern. Der graue Regenmantel von Petra von Kant wirkte mit einem Mal wie eine schimmernde Rüstung und ihre rötlich getönten Haare erinnerten sie an ein bedrohliches Feuer.

25. Der Junge und die Unterwelt

    Der Junge war vielleicht vierzehn Jahre alt und hatte in dieser

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