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Alle muessen sterben

Alle muessen sterben

Titel: Alle muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. C. Schiller
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Gegend nichts zu suchen. Er ging langsam durch das aufgelassene Industrieareal, dessen leere Lagerhallen mit den Müllbergen davor im Regen noch viel trostloser aussahen. In diesem Teil der Stadt Linz, der in den Plänen der Architekten bereits als „Grüne Oase“ angepriesen wurde – alle warteten nur auf den Startschuss zu einer groß angelegten Räumung –, hatte sich in der Zwischenzeit eine Subkultur aus Kleinkriminellen, Junkies und Sprayern etabliert.
    Der Junge hatte nichts aus den Ereignissen seiner Vergangenheit gelernt, sonst hätte er gespürt, dass ihn die derzeitigen Bewohner der verfallenen Bürobauten beobachteten und sich überlegten, ob sie ihn überfallen und ausrauben sollten oder nicht. Er war nicht in das Schulsportzentrum seiner Schule gegangen, so wie er es seinem Vater erzählt hatte und wie dieser es noch immer glaubte, sondern hatte sich von einem bunten Flugzettel beeindrucken lassen, den er zufällig an einer Bushaltestelle gefunden hatte.
    Die ersten beiden Male hatte er es als eine Art Mutprobe gesehen, ob er sich überhaupt trauen würde, alleine durch das verlassene Industrieareal bis zur Halle zu gehen, aber als ihm nichts passiert war, wurde er rasch cooler. Außerdem waren die Betreiber des Clubs überraschend freundlich zu ihm gewesen, als er ein wenig über den Background seines Vaters erzählte, und hatten ihn als Mann akzeptiert.
    Das war ein Gefühl, das er weder bei seiner Mutter noch bei seinem Vater hatte, denn beide hielten ihn nach wie vor für ein kleines Kind. Aber hier hatte man ihn nach einigen Probekämpfen mit offenen Armen in den Club aufgenommen. Jetzt steckte in der Tasche seiner Cargohose zusammengeknüllt der Ausweis, der ihm hier in dieser Betonwüste Sicherheit garantierte: „Rockys Kickbox Club“.
    Als er das letzte Gebäude erreicht hatte, entspannte sich der Junge und spuckte seinen Kaugummi in eine Regenpfütze. Er stand vor der riesigen Halle aus Beton, die nur an den obersten Rändern, knapp unter dem Dach, eine Reihe von Fenstern hatte. Der Regen klatschte an die grauen Wände, die feucht und rissig waren, und niemand wäre auf den Gedanken gekommen, dass diese Halle noch in Verwendung war. Doch auf dem breiten verschrammten Schiebetor klebte die Aufschrift „Rockys Kickbox Club“ und darunter war mit ungelenken Strichen ein Kickboxer gemalt, der sein Bein waagrecht nach hinten stieß und die Fäuste ballte.
    Mit beiden Händen schob der Junge die eiserne Schiebetür auf und schlurfte in die dunkle Halle. Der Raum wirkte wie eine überdimensionierte Trainingshalle, denn mehrere roh gezimmerte Podeste waren aufgebaut worden und darauf hatte man mit Seilen provisorische Boxringe errichtet. Alles wirkte wild durcheinandergewürfelt und lieblos zusammengestellt, so als wüssten die Betreiber des Kickbox Clubs, dass sie nur vorübergehend hier sein würden.
    Der Junge war in seinen Sommerferien beinahe jeden Tag in der nach Schweiß und Kämpfen stinkenden Halle und so wurde er inzwischen von den Kickboxern, die sich hier verbissen ihre Aggressionen abtrainierten, nicht weiter beachtet. Lässig schlenderte er nach hinten, wo sich Garderoben aus Sperrholz befanden. Als er nach einiger Zeit wieder heraustrat, trug er weiche, flache Schnürstiefel, die an den Spitzen verstärkt waren, um bei einem Treffer effektiv zu sein. Ein älterer Mann mit lüsternen Triefaugen hinkte auf den Jungen zu und schwenkte ein paar rote Everlast-Handschuhe.
    „Hallo, Kleiner! Habe ich extra für dich günstig erworben“, nuschelte er und schlug die Handschuhe dem Jungen spielerisch über den Kopf.
    „Kannst du sie mir anziehen, Eko?“, frage der Junge und hielt dem Mann seine Fäuste entgegen.
    Mit den roten Handschuhen, die wie Signallampen leuchteten, stieg der Junge in einen Ring und wartete auf seinen Sparringspartner. Diesmal hatte Eko, der Trainer, einen Albaner als Gegner für ihn ausgesucht und beobachtete genau, wie sich der Junge zur Wehr setzte. Der Kampf war auf fünf Runden angesetzt, erst dann wurde entschieden, ob der Junge in das nächsthöhere Programm aufsteigen durfte.
    Bis jetzt hielt er sich aber tapfer und gab sich gegenüber dem Albaner, der sein Geld mit illegalen Cagefights verdiente, keine Blöße. Er wirkte auch ziemlich souverän, wenn er eine Pirouette andeutete, um den Gegner mit der Fußsohle auszuhebeln und aus dem Rhythmus zu bringen.

    „Wie findest du den Jungen, Eko?“ Ein Mann war plötzlich aufgetaucht und schaute interessiert

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