Alle Orte, die man knicken kann
Streiks der Piloten, Milchbauern, ausländischen Arbeitnehmer, Müllwerker, Strom- und Gasbeschäftigten, Transportarbeiter, Lehrer, Studenten, Beamten und aller weiteren Entrechteten.
Dreck. Für die Mülltrennung haben die Pariser eine einleuchtende Lösung gefunden. Wer sich von seinem Müll trennen will, wirft ihn auf die Straße oder den Gehsteig. Meist wird einmal im Jahr, am Tag nach dem Nationalfeiertag, gefegt. Dann verschwinden für kurze Zeit auch die Hundehaufen, die die Gehwege nicht säumen, sondern garnieren. Hundebesitzer, auch in schicken Vierteln, führen ihren treuesten Freund zu einem zentralen Platz auf dem Bürgersteig und genießen den Anblick, wie er versonnen drückt und dampfend ablegt.
Unverdauliche Landesspezialitäten
Touristen gelten in Paris als gebührenfreie Möglichkeit zur Entsorgung alter Lebensmittel. Als Vorspeise gibt es deshalb häufig aufgewärmte Pilz-Tartelettes, eingetrocknete Salamischeiben, Quiche der Vorwoche und durchgefurzte Zwiebelsuppe. Der Hauptgang aus ledernem Hähnchen mit Fritten oder schlappem Huhn in Weißweinpampe kostet ungefähr so viel wie mehrgängige Gourmetmenüs im Elsass. Passend: gutgeschleimtes Kartoffelgratin oder halbgare Bohnen mit Knoblauchpulver. Als besonders desaströs erweist sich stets der Entschluss: «Heute gehen wir mal in ein echtes Bistro.»
Das reicht für das Expertengespräch
Um einen Abend zu bestreiten, genügt nach Erfahrung des Experten Ulrich Wickert ein einziger Satz: «Paris ist nicht Frankreich.» Der Rest ergebe sich dann von selbst. Gut macht sich auch ein Hinweis auf den Stadtplaner Haussmann, der vor hundertfünfzig Jahren die breiten Boulevards anlegen ließ und die grauen Wohnblocks mit den schmalen Balkons. Fachkommentar: «Also, Paris bleibt für mich eine Stadt des 19. Jahrhunderts.» Mit einer Erwähnung nordafrikanischer Einwanderer ist der Einstieg in eine problemorientierte Diskussion gesichert.
Das meinen Kenner
«Nachdem Frankreichs Status als Grande Nation verlorengegangen ist, bleibt Paris doch immer noch eine Weltmetropole: die universale Hauptstadt der Hundescheiße.»
– Serge Gainsbourg, Chansonnier
«Mag ich nicht, will ich nicht, finde ich zum Kotzen.»
– Karl Valentin, Künstler
«Paris – ist das nicht diese bescheuerte Blondine, die im Hilton wohnt?»
– Dieter Bohlen, Produzent
N icht alle Touristen, die sich jedes Jahr die Elsässer Weinstraße entlangschieben, können an deutschen Schulen unterrichten. Doch das Elsass liegt laut Umfragen seit den sechziger Jahren unangefochten an der Spitze der Lieblingsreiseländer deutscher Lehrer. Sie besuchen hier ihren persönlichen Winzer, nutzen kostenlose Weinproben, essen Zwiebelkuchen und Sauerkraut und haben anschließend Albträume von der Rückkehr an die Schule. Zuweilen schnüren sie ihre Schuhe, um zu Fuß oder per Rad jene verborgenen Idyllen zu entdecken, die «abseits der ausgetretenen Pfade» liegen – seit jeher der beste Tipp, um allen anderenTouristen in die Arme zu laufen. Bei jährlichen neun Millionen Besuchern in der Region ist das auch schwer zu vermeiden. In den Städten arrangiert man sich mit den Massen – etwa in Straßburg, wo alle mal kurz ins düstere Münster schauen und im musealen Gerberviertel ein Eis essen. Mehr bietet die Stadt nicht.
Im südlichen Hauptort Colmar wird es schon enger. Alle wollen Fachwerk wie im Mittelalter sehen, also eigentlich ohne twitternde Touristen. Alle wollen im Musée d’Unterlinden (das meistbesuchte Museum Frankreichs nach dem Louvre) den Isenheimer Altar betrachten und beim Anblick des gekreuzigten Jesus äußern: «Ja, hier ist das Leiden wirklich unheimlich echt dargestellt.» Oder so ähnlich. Richtig fühlbar wird der Strom konkurrierender Idyllensucher aber in den kleineren Orten entlang der Weinstraße. Gegen die Parkplatznot haben Orte wie Riquewihr (auch Reichenweier genannt), Eguisheim und Hunawihr breite Flächen außerhalb der Mauern planiert und charmante Wächterinnen des Ordnungsamtes zum Kassieren und Zettelverteilen angestellt. Während der deutschen Schulferien und zur Weinlese (Vin Nouveau betäubt am schnellsten) sind Straßen und Restaurants rettungslos überlastet. Die gedopten Angehörigen des Personals lassen zu dieser Zeit jeden Gast spüren, dass er hier weder gebraucht wird noch willkommen ist.
Städtchen wie Turckheim, Erstein, Kaysersberg und Hohkonigsburg lassen die Degustationssaison mittlerweile nahtlos in den
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