Alle Orte, die man knicken kann
Glöckner und stürzen sich aus Verzweiflung über das düstere Bauwerk vom Turm. Allerdings: Der Friedhof
Père Lachaise
ist bereits ausgebucht. Die vielen greisen Gäste dort suchen nicht Verwandte, sondern den bekritzelten Grabstein eines schwindsüchtigen Sängers der sechziger Jahre.
Montmartre und Sacré-Cœur. Ahnungslose halten den Hügel für ein romantisches Künstlerviertel, in dem einst Toulouse-Lautrec gewohnt hat. Nur wenn man zu Fuß hinaufsteige, bekäme man die Atmosphäre so richtig mit. In Wahrheit kostet der Anstieg auf löchrigem Pflaster in dicker Luft zwar nicht sofort das Leben, verkürzt es aber entscheidend. Kunstbeflissene jenseits der fünfzig sind erst mal für zwei Tage außer Gefecht gesetzt, zumal sie hier keinen einzigen Künstler antreffen, dafür aber jede Menge Nippesgeschäfte und die schlechtesten Restaurants der Stadt. Vor der zuckrigen Sacré-Cœur finden sich dann doch lauter Künstler. Ihre Aquarelle würden in Deutschland nicht mal in einer Apotheke ausgestellt werden.
Sonst noch was? Eigentlich nicht. Der
Pont Neuf
ist die älteste Brücke von Paris, doch das macht sie nicht sehenswerter. Alte Menschen, die noch vom Existenzialismus wissen, zieht es hinüber auf das linke Seine-Ufer. Irgendwo da soll der Philosoph Sartre seine Lebensgefährtin Beauvoir angeschielt haben. Flussabwärts steht der
Invalidendom
, in dem Hitler vor dem Grab Napoleons betete. Auf das Hochhausviertel
La Défense
reicht der Fernblick.
So wird man lästige Mitreisende los
Freunde von Königshäusern schicken wir zum Diana-Tunnel . Sie sollen genau die Route nachgehen, oder noch besser nachfahren, die Dodi und die Prinzessin von Wales am 31. August 1997 nahmen. Sie führt vom Hotel Ritz zum Alma-Tunnel und endet dort am 13. Pfeiler. «Sieh dir das aufgemalte Herz und das Kreuz genau an, Tante!» Tante muss sich dazu durch eines der Löcher im mannshohen Drahtzaun bemühen, der Pilger von dieser Heiligenstätteabhalten soll. Genauer: der sie vor dem mörderischen Verkehr schützen soll. «Nur Mut! Du schaffst das! Leg ein paar Blumen nieder.»
Kauflustige werden wir für einen Tag los, weil sie unbedingt die Galeries Lafayette besichtigen müssen. In dem angejahrten Kaufhaus treffen sich mehr Schaulustige als tatsächliche Käufer. Die Touristenmassen kommen wegen des klingenden Namens und wegen der Jugendstilkuppel. Einheimische bleiben wegen der Preise fern. Designermarken werden hier grundsätzlich mit fünfzig Prozent Rabatt angeboten, sind aber immer noch doppelt so teuer wie in heimischen Läden oder im
Printemps
gegenüber. Die Lebensmittelabteilung glänzt mit einer großen Auswahl an Konservendosen. Den Inhalt gibt es kaum merklich erwärmt auf der Dachterrasse.
Jüngere Quälgeister müssen unbedingt den trendmäßig extrem faszinierenden Hochhaus-Gürtel rund um die Stadt kennenlernen. «Das ist das Paris von heute, wie es wirklich ist. Da wird überall szenige Musik gemacht, und die Schafe werden live auf der Straße geschächtet.» Naive Reisende auch. Faustregel: Alle Neuf-Trois-Vorstädte (deren Postleitzahl mit 9 – 3 beginnt) offenbaren das Leben von Einwanderern in seiner unverdorbenen Ursprünglichkeit. Einfach mal hinfahren, am besten mit dem eigenen Wagen, und bei Dämmerung den Rauchsäulen folgen. Vierzigtausend abgefackelte Autos pro Jahr ersetzen mühelos die mangelnde Straßenbeleuchtung.
Typisch Paris
Pickpockets. Wer einen Stadtplan studiert, einen Rucksack trägt oder sich suchend umsieht, ist sein Portemonnaie schon los. Taschendiebe verdienen sich ihr Geld besonders in der Métro (Touri-Linie 1), rund um die Sehenswürdigkeiten und in den Kaufhäusern, sogar in den Frühstücksräumen der Hotels. Sie räumen in Cafés die am Stuhl abgestellten Taschen ab, wollen vor Notre-Dame mit aufs Foto und investieren sogar in Museumstickets, um kunstbeflissene Betrachter vom Inhalt schwerer Handtaschen zu befreien. Die sind dann froh, wenn sie wenigstens noch eine Kopie des Personalausweises im Hotel haben.
Streik. Französische S- und U-Bahn -Fahrer verdienen rund ein Drittel mehr als ihre Kollegen in Berlin oder München. Vielleicht sind sie geschickter im Knöpfchendrücken. Weil Paris unzufrieden macht, streiken sie häufiger als andere Piloten öffentlicher Verkehrsmittel. RER und Métro stehen oft überraschend still. Durchschnittliche Streikdauer zum Beispiel auf der RER A: viermal im Jahr je zwei Wochen. Die übrigen Wochen sind belegt mit den
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