Alle Orte, die man knicken kann
Vorweihnachtstourismus übergehen und bieten Lichterpfade, Weihnachtsmärkte, Eisbahnen, Fackelläufe und sogenannten Lichterzauber. Weil die Übernachtungszahlen im Januar, Februar und März noch zu wünschen übriglassen, offerieren bislang vernachlässigte Orte nicht mehr nur Weinseminare und Lehrgänge in Bioanbau, sondern neuerdings auch Gänsestopfen für Anfänger. Die Gänsestopfleber ist die berühmteste Spezialität der Region. MitHilfe eines biegsamen Rohres wird der glücklichen Gans oder Ente der leckere Futterbrei direkt in den Magen gestopft oder gepumpt. Die Leber des derartig gutversorgten Tieres wiegt bei der Schlachtung bis zu zwei Kilo. Diese Herstellungsform wird nicht das Lieblingshobby jedes Touristen werden, ist aber ein bis auf die Antike zurückgehendes traditionelles Ritual. Wenn der Urlaub authentisch elsässisch sein soll – beim Stopfen wird er es.
England
D ie letzte Klassenreise liegt noch nicht lang zurück. Trotzdem ist London inzwischen noch hektischer, noch schmutziger, noch schäbiger geworden. Billiger auch, denn die Inflation wird hier mächtig angeschoben. «Diese Stadt wird nie mehr sein wie in den fünfziger Jahren», seufzte jüngst Queen Elizabeth. Sie spielte nicht nur auf ihre Krönung an, sondern wohl mehr noch auf den wirtschaftlichen Niedergang, der mit dem Verlust der Kolonien begann und sich unaufhaltsam fortsetzt. Nur an Größe hat London zugelegt: Seit dem Abtritt Margaret Thatchers kam eine halbe Million Immigranten aus Commonwealth-Ländern. Mittlerweile gehört fast die Hälfte der Einwohner zu ethnischen Minderheiten. Weltreisende, die Geld und Zeit sparen wollen, begeben sich deshalb auf Fahrt mit der Londoner U-Bahn : Es ist der schnellste und bunteste Trip um den Globus. Die alten Sehenswürdigkeiten der Stadt wirken dagegen wie verwitternde Dinosaurier.
Die meistgenannten Flops
The Tower. Die massive Festungsanlage am Ufer der Themse liegt schön zentral. Und das ist auch alles. Hier wurde tausend Jahre lang im Auftrag des Königshauses erpresst, gefoltert und gemordet. Jetzt wird der Ertrag solcher Anstrengungen gezeigt: die Kronjuwelen. Nach langem Warten werden die Touristen auf Laufbändern an den Panzerglasvitrinen vorbeigezogen. «Die langwierigste Fahrt meines Lebens», notierte Autor Frank McCourt.
Westminster. Westminster Abbey ist eine gotische Kathedrale, in der die englischen Könige gekrönt wurden, bevor ihr Nachfolger sie im Tower enthaupten ließ. Die meisten wurden anschließend hier begraben. In der Kirche sind also vor allem Grabplatten zu sehen. Rund um den Bau siechen die City of Westminster, überdröhnt von Big Ben, und die City of London, das Business- oder vielmehr Crash-Zentrum, seit das Viertel die meisten Pleiten Europas verzeichnet.
Piccadilly Circus. Eine Straßenkreuzung, die in der Zeit des britischen Kolonialimperiums für den Mittelpunkt der Welt gehalten wurde. Heute treffen hier Touristengruppen zusammen, die sich gegenseitig verstohlen fragen, warum sie hier sind. Keiner weiß es. Zu sehen ist immerhin eine überlebensgroße Coca-Cola-Reklame (abends beleuchtet).
Buckingham Palace. Der Palast, in dem die Queen ihre Handtasche ablegt, in dem ihr Ehemann dreimal am Tag gefüttert wird und in dem Queen Mom zur Alkoholikerin wurde. Touristen müssen sich mit dem Ritual der Wachablösung begnügen. Die berittenen Soldaten reiten die sogenannte Mall entlang, schreien etwas und reiten wieder zurück. Dauert etwa 45 Minuten.
St. Paul’s Cathedral. Die Kuppelkirche gilt als verrufener Ort, seit Charles und Diana hier getraut wurden. Zur Walpurgisnacht ist sieseither Treffpunkt englischer Wicca-Hexen. Touristen schleppen sich gegen einen hohen Eintrittspreis die Treppen zur Whispering Gallery hinauf, in deren Kuppel geflüsterte Worte von einer Seite zur anderen getragen werden. Manche schaffen es noch zur Stone Gallery, von wo aus man sich nach unten stürzen kann. St.-Paul’s-Architekt Christopher Wren wird als Londons letzter Baumeister von Rang verehrt. Er starb 1723.
British Museum. Amerika, Afrika, Asien, Südeuropa: Wo immer britische Truppen ein Land besetzen konnten, packten sie die Kunstschätze in Kisten und sandten sie nach London. Die gesammelten Reichtümer werden seither im British Museum ausgestellt. Unesco-Beamte haben es als Hehlerhöhle des Kolonialismus verunglimpft. Dabei ist das Diebesgut exzellent konserviert. In den Ursprungsländern hätte es nach Ansicht der Museumsleitung
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