Alle Rache Will Ewigkeit
immer eine Ungezwungenheit erlauben können, die ihre Geschwister manchmal zusammenschrecken ließ.
Seit zwei Wochen durfte Magda sich hierhin zurückziehen, aber trotzdem wunderte sie sich jedes Mal aufs Neue über die nüchterne Einrichtung und den Mangel an Komfort. Vier Sessel, die nicht ganz zusammenpassten und deren Tweedpolster an manchen Stellen sehr abgenutzt waren, ein für den Raum zu großer Tisch und ein Abfalleimer aus Blech, der nicht geleert worden war, seit sie gleich am Anfang ihre gebrauchten Kaffeebecher hineingeworfen hatten. Jemand hatte versucht, die Atmosphäre des Raums etwas aufzuhellen, indem er zwei Poster mit spanischen Ferienmotiven an die Wand geheftet hatte; doch das leuchtende Blau des Himmels ließ die schmutzigen Wände noch deprimierender wirken. Für Magda spielte all das keine Rolle. Ihr war nur wichtig, dass sie einen Zufluchtsort vor den neugierigen Blicken und geflüsterten Kommentaren hatte. »Meinst du wirklich? Ich weiß nicht, Wheelie. Nur weil wir wünschten, es wäre so, heißt das nicht, dass du recht hast«, gab sie zu bedenken und zog ein Bein unter sich, als sie sich auf einen Sessel setzte.
Catherine nickte heftig. Mit ihrem lockigen blonden Haar, dem runden Gesicht, den leuchtend blauen Augen und rosa Wangen sah sie aus wie eine Puppe. Was das Äußere betraf, glichen sich die beiden Schwestern überhaupt nicht. Während Magda groß und schlank und von vollkommener Anmut war, wirkte Catherine in jeder Hinsicht durchschnittlich. Das Besondere an ihr war nicht ihr Aussehen, sondern ihre unerschütterliche Energie, die sie jetzt zur Verteidigung ihrer großen Schwester einsetzte. Manche Frau wäre auf Magdas Schönheit neidisch gewesen, aber Catherine war stolz auf ihre Schwester und sehr froh, dass sie Magda nun auch einmal die Unterstützung und Hilfe bieten konnte, die sonst immer ihr zugutegekommen war. »Verlass dich auf mich, Magda«, entgegnete sie mit hartnäckiger Zuversicht. »Besonders nachdem die Staatsanwaltschaft die Verteidigung so verrissen hat. Die beiden werden eine Weile ohne Freiheit auskommen müssen.« Sie hatte die Hand noch auf dem Türgriff. »Willst du etwas essen? Oder trinken? Kaffee? Muffins?«
Es war verblüffend, wie oft Catherines Eifer, zu gefallen, seinen Ausdruck in Essen und Trinken fand. »Obwohl du so überzeugt bist, dass es ein klarer Fall ist, habe ich den Verdacht, die Geschworenen werden sich lange genug beraten, dass du ruhig eine Blitzaktion zur Kaffeebeschaffung unternehmen kannst.«
Catherine sah in den Taschen ihrer Jeans nach, ob sie genügend Kleingeld hatte. »Ich komme wieder«, rief sie und legte eine ganz passable Terminator-Imitation hin. Magda konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, und Catherines Augen leuchteten freudig, als sie hinausging.
Zum ersten Mal, seit Magda am Morgen im Gericht angekommen war, ruhten keine Blicke auf ihr. Dass sie sich keiner neugierigen Aufmerksamkeit ausgesetzt sah, war so konkret zu spüren, als sei eine Last von ihr genommen. Es war erschöpfend, so auf dem Präsentierteller zu sitzen. Sie fragte sich, wie Jay damit zurechtkam, im Mittelpunkt von so viel Aufmerksamkeit zu stehen. Wegen ihrer Auftritte in
White Knight
wurde sie oft in den unwahrscheinlichsten Situationen erkannt und ihrer Privatsphäre beraubt. »Ich war in der Hinsicht so naiv«, hatte sie einmal reumütig zu Magda gesagt. »Mir war nie klar, wie die Leute einen in Beschlag nehmen, nur weil man auf ihren Bildschirmen zu sehen ist.«
Magda wünschte, sie könnten jetzt zusammen sein; Jays ebenso bewundernde wie prüfende Blicke störten sie nie. Aber wenn Jay hier wäre, würde die Aufmerksamkeit von Presse und Publikum im Gericht sie noch mehr bedrängen. Die Einstellung der Medien würde sich auf dramatische Art und Weise ändern. Statt das Objekt der Sympathie zu sein, würde sie zum Gegenstand reißerischer Spekulationen und der Klatschspalten werden. Jay hatte recht. Sie mussten vermeiden, dass ihre Beziehung öffentlich bekannt wurde, bis der Prozess den Leuten nicht mehr gegenwärtig war. Das eine Mal, als sie zusammen fotografiert worden waren, nach dem Trauergottesdienst für Philip, war es Jay gelungen, das drohende Feuer zu löschen, indem sie dafür sorgte, dass sie als eine alte Freundin der Familie erwähnt wurde. Es war jetzt schließlich doch von Vorteil gewesen, dass sie früher bei Corinna studiert hatte.
»Fürs Erste müssen wir unser Privatleben für uns behalten. Du willst ja
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