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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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kann sie sich so deutlich an einen bestimmten Morgen erinnern?«
    Charlie zügelte ihre Gedanken. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich über Anomalien zu verbreiten. »Weil es der Morgen war, an dem Jess Edwards starb. Und weil sie seit kurz nach sechs schon wach waren. Jay schimpfte über Jess und die Wahl der Vorsitzenden für den Common Room. Louise erinnert sich, dass sie, als sie zum Frühstück runtergingen und die Sache mit Jess hörten, gedacht hatte, wie schrecklich es war, dass Jay genau in dem Moment so böse über Jess geredet hatte, als das arme Mädchen ertrank. Sie hat also ein Alibi.«
    Corinna schien empört. »Welche Ironie des Schicksals«, rief sie.
    »Was meinst du damit?«
    Sie kräuselte abschätzig die Lippen. »Wenn Jay das damals als Alibi vorgebracht hätte, hätte ihr niemand Glauben geschenkt. Alle hätten gesagt, Louise lüge für sie aus Liebe. Aber jetzt hat Louise jeden Grund, sie zu hassen. Und erst jetzt bekennt sie sich dazu.« Corinna schüttelte den Kopf. »Ich muss mich wohl auf dein Wort verlassen, aber es ist schwer zu glauben, dass ich mich irre. Ich weiß, was ich gesehen habe.«
    »Ich will nicht herablassend klingen, aber Berichte von Augenzeugen sind bekannt für ihre Ungenauigkeit. Und es gibt einen vollkommen ehrenwerten psychologischen Mechanismus dahinter. Unser Gehirn ist auf der Suche nach Mustern. Wir suchen Ähnlichkeiten. Deshalb überlagern wir das, was wir tatsächlich sehen, mit dem, was wir aufgrund von visuellen Anhaltspunkten erwarten. Und im Laufe der Zeit verstärkt die Erinnerung dies mit weiteren Einzelheiten, die nicht mit dem übereinstimmen, was wir sahen, sondern mit dem, was wir nach Angabe unseres Gehirns gesehen haben müssen. Du hast eine Gestalt gesehen, die dich aus irgendeinem Grund an Jay erinnert hat. Du hast sie an der Stelle gesehen, wo du vernünftigerweise erwarten konntest, Jay selbst zu sehen. Und dein Gehirn hat die fehlenden Lücken gefüllt.« Charlie breitete die Arme aus und zuckte mit den Schultern. »Wir alle tun das andauernd. Es gibt nichts, was du dir vorzuwerfen hättest.«
    »Trotzdem glaube ich meinen eigenen Augen.« Corinnas störrisch angespannte Kiefer verhießen nichts Gutes für den Erfolg von Charlies Plan. Aber sie konnte nichts anderes tun als weitermachen.
    »Gut. Aber du musst dich fragen, wem Magda glauben wird: dir mit einer Gestalt, auf die du in der Dämmerung einen flüchtigen Blick werfen konntest, oder Jay mit ihrem perfekten Alibi. Zu diesem Zeitpunkt hat Magda keinen Grund, Jay zu misstrauen. Aber dir? Sie weiß, du bist leidenschaftlich dagegen, dass sie und Jay zusammen sind.«
    Corinnas Blick war giftig. »Was hast du sonst herausgefunden?«, verlangte sie zu wissen.
    »Ich habe die Untersuchung zu Kathy Lipsons Tod überprüft. Es kann keinen Zweifel geben, dass Jay das Seil abgeschnitten hat, nachdem Kathy von dem Felsgrat fiel, den sie besteigen wollten. Aber es gibt auch nichts, was ihrer Version der Ereignisse widersprechen würde. Kathy hatte anscheinend schon immer einmal zum Winterklettern in die Cuillins fahren wollen, und man hat jeden Winter nur ein paarmal die Gelegenheit dazu. Man musste sie ergreifen, als es ging. Und manchmal holt einen ein Unwetter ein, so wie es bei ihnen war.«
    »Sie hätte sie runterschubsen und es als Unfall darstellen können.«
    Charlie nickte. »Das hätte sie tun können. Aber es gibt keine Zeugen. Und keiner der objektiven Beweise widerspricht Jays Version. Ich habe mit zwei Männern der Bergwacht gesprochen, die sie vom Berg herunterholten. Sie tat ihnen leid. Sie kennen das Stigma, mit dem sie nun in Bergsteigerkreisen gezeichnet ist. Aber sie befürworteten auch voll und ganz, was sie getan hat. Es ist richtig, das Seil abzuschneiden, wenn man nur diese traurige Wahl hat. Wenn man das Seil nicht durchtrennt, sterben beide; im anderen Fall bleibt einer vielleicht am Leben. Es ist schwierig, etwas dagegen einzuwenden, Corinna.«
    Corinna starrte sie an. »Hat sie dich rumgekriegt? Ist das so eine Art lesbischer Solidarität?«
    Charlie spürte, wie ihr vor Ärger die Röte den Hals hochstieg. »Das wird jetzt beleidigend. Ich habe gerade neun Tage und einiges Kleingeld dafür hingegeben, deine verrückte Theorie zu beweisen. Nicht weil ich dir irgendetwas schulde, sondern weil ich deine Tochter mag und meine, sie braucht jemanden auf ihrer Seite. Aber wenn du denkst, ich würde Beweise für einen Mord einfach aus schwesterlicher Verbundenheit

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