Alle Rache Will Ewigkeit
verschwinden lassen, dann ist deine geistige Gesundheit so weit beeinträchtigt, dass ich wahrscheinlich sofort einen Kollegen anrufen sollte, um dich einweisen zu lassen.« Sie nahm ihre Tasche und zog ihren Mantel an sich, zum Gehen bereit.
»Warte«, bat Corinna eindringlich. »Bitte. Es tut mir leid, Charlie. Es tut mir wirklich leid.« Ihre Stimme versagte, und sie räusperte sich. »Siehst du, wie diese Sache mich aus der Bahn geworfen hat?« Sie stand abrupt auf, ging zu einer hohen Mahagonivitrine, öffnete sie und nahm eine Flasche Rotwein heraus. »Ich weiß, dass du so etwas nie tun würdest, Charlie. Verzeih mir. Ich bin einfach so bitter enttäuscht. Trinkst du einen Schluck mit mir?«
Charlie setzte sich wieder auf den Stuhl, schüttelte aber den Kopf. Sie wollte nichts trinken, was ihre Gedankenschärfe in diesem Gespräch abschwächen würde. Sie wartete, bis Corinna sich ein Glas Wein eingegossen hatte. »Ich habe mir auch den Mord an Ulf Ingemarsson angeschaut. Es trifft zwar zu, dass Jay im Ausland war, als es geschah, aber mein Freund, der Detective, hat ihren Terminkalender für diese Woche eingesehen. Es blieb keine Zeit für eine schnelle Reise nach Spanien«, sagte sie ernst. »Selbst wenn sie die Nacht durchgefahren wäre, hätte sie nicht bei Ingemarssons Villa sein und dann dorthin zurückkommen können, wo sie am nächsten Morgen sein musste.« Wieder eine Lüge, aber Charlie war inzwischen richtig in Schwung. Was immer ihr Verdacht sein mochte, sie hatte keine Beweise gegen Jay. Die Frau hatte ein Recht auf die Unschuldsvermutung, und vor allem hatte sie das Recht, nicht Corinnas Vorstellung von Gerechtigkeit zum Opfer zu fallen.
»Sie hätte jemanden beauftragen können«, protestierte Corinna trotzig.
Charlie stöhnte. »Sicher, sie hätte jemanden beauftragen können. Leute in ihrer Branche treffen ja auch zufällig dauernd Auftragskiller.« Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. »Würdest du wissen, wo du nach einem Auftragsmörder suchen müsstest? Ich habe länger als ein Dutzend Jahre auf dem Gebiet der Psychopathologie gearbeitet. Ich verbringe meine Tage mit Mördern, Vergewaltigern und Pädophilen und habe keine Ahnung, wie man einen Berufskiller findet. Ist ja nicht so, als könnte man ihn googeln.«
»Vielleicht hat sie den Auftrag für einen Einbruch gegeben und dann Mord bekommen«, beharrte Corinna.
»Das gleiche Argument. Wo findet sie einen Einbrecher, der Auftragsarbeiten übernimmt? Würdest du wissen, wie man das anpackt? Es ist ja nicht so, als könntest du einen befreundeten Richter bitten, dir einen guten zu empfehlen, oder? Und dann ist da noch etwas. Wenn ich ausschließlich als Psychiaterin spreche, kann ich angesichts dessen, was ich über Jay Stewart weiß, nicht glauben, dass sie sich jemandem ausliefern würde. Wenn man einmal ein Verbrechen in Auftrag gegeben hat, ist man auf alle Zeit angreifbar. Das ist einfach nicht ihr Persönlichkeitstyp. Sie mag es zu sehr, die Kontrolle zu behalten.«
Corinna leerte ihr Glas und stellte es ab. »Du argumentierst gut«, sagte sie mit matter Stimme und stumpfem Blick. »Du hast schon immer gewusst, wie man eine Begründung formuliert. Ich hatte gehofft, du würdest diesen scharfen Intellekt auf der anderen Seite des Problems einsetzen.« Sie seufzte, stand auf, ging zum Fenster hinüber und starrte auf den College-Park hinunter, wo Magdas Hochzeitsfest stattgefunden hatte. »Es ist komisch«, sagte sie. »Der Tag damals fing so perfekt an. Ich hatte mir Sorgen um Magda gemacht. Sie war immer so auf ihre Arbeit konzentriert gewesen, dass ich dachte, sie werde Liebe, Freundschaft und die Möglichkeiten eines Lebens in Zweisamkeit, wie es mir vergönnt war, vielleicht nie kennenlernen.«
Charlie biss sich auf die Zunge, als sie an das unvermeidliche katholische Elend dachte, mit Henry verheiratet zu sein. Es konnte wohl kaum einfach gewesen sein, die Anforderungen von vier Kindern, einem großen Haus und einem ständigen Strom von Studentinnen mit ihren intellektuellen Herausforderungen unter einen Hut zu bringen. Dann waren da noch die unzähligen Arbeitsstunden frühmorgens am Schreibtisch, in denen Corinna versuchte, jene Veröffentlichungen auszuarbeiten, die es dem College unmöglich machen würden, ihr keine Lebensstellung anzubieten, und die Abfolge kluger junger Studentinnen, die so bedürftig waren, dass sie Corinna dankbar für ihre Freundschaft und fügsam genug waren, um billige und zuverlässige
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