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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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wenn es sich um jemanden wie Jess handelt, eine so offensichtlich hochbegabte und vielversprechende junge Frau. Die Neuigkeiten verbreiteten sich wie ein Lauffeuer, und jeder wusste bereits am Vormittag, dass Jess gestürzt war, sich den Kopf angeschlagen hatte und ertrunken war. Es war auch allseits bekannt, dass das sehr früh am Morgen passiert sein musste, denn sie war ja bereits tot, als die übrigen Ruderinnen zum Training erschienen. Jess hatte sich offenbar bei ihren Ruderkolleginnen darüber beklagt, ihr Sitz sei nicht in Ordnung und sie wolle vor dem Training zum Bootshaus runtergehen und versuchen, das Problem zu beheben.«
    »War dieser Umstand auch schon vor dem Unfall allgemein bekannt?«, fragte Charlie. Das Thema von einer anderen Seite her anzugehen war oft die beste Technik, wenn man Informationen aus einem widerwilligen Zeugen herausholen wollte.
    »Das kann ich nicht sagen. Ich erinnere mich vage daran, dass die Mädchen erzählten, Jess hätte bereits am Vorabend beim Abendessen davon gesprochen. Theoretisch hätte da jeder im Speisesaal mithören können.« Helena nahm sich eine weitere Zigarette, zündete sie jedoch nicht gleich an, sondern rollte sie zwischen den Fingern. Auf ihren von Altersflecken bedeckten Händen zeichneten sich deutlich die Adern ab. Viel mehr als an ihrem Gesicht oder der Körperhaltung konnte man an ihnen ablesen, wie viele Jahre vergangen waren. Schockiert musste Charlie feststellen, dass aus Helena eine alte Frau geworden war.
    »Warum hat sich Corinna mit Ihnen getroffen?«, fragte sie.
    Helena ließ sich Zeit und zündete zunächst umständlich ihre Zigarette an. »Sie brauchte einen Rat. Sie hatte an jenem Morgen etwas – beziehungsweise jemanden – auf der College-Wiese gesehen. Es war noch sehr früh. Sie war sich nicht sicher, was sie tun sollte.«
    »Warum diese Unsicherheit? Dort war um diese Zeit jemand gewaltsam zu Tode gekommen. Es wäre doch nur logisch gewesen, mit der Polizei zu sprechen.« Charlie bemühte sich, so nüchtern und höflich wie möglich zu klingen, sie wollte hier nicht als Anklägerin auftreten.
    »Ganz so einfach war das nicht. Es ging auf Ende November zu, und es war noch dunkel, als Corinna das Gelände betrat. Sie war sich nur so sicher mit der Identifikation, weil sie die betreffende Person persönlich kannte. Ihr war aber durchaus klar, dass man eine solche Aussage vor Gericht anfechten konnte. Die Dunkelheit und die recht große Entfernung waren da wichtige Faktoren. Außerdem bedeutete es ja noch lange nicht, dass die betreffende Person etwas mit Jess’ Tod zu tun haben musste, nur weil sie auf der College-Wiese unterwegs war. Selbst wenn sie Jess am Bootshaus getroffen hätte, hieß das nicht, dass daran etwas Verdächtiges war.«
    »Selbst wenn die betreffende Person von Jess’ Tod profitiert hätte? Übrigens können Sie sie ruhig beim Namen nennen, Helena. Wir wissen beide, dass wir von Jay Stewart sprechen. Das war nämlich die Person, die Corinna gesehen hatte und die sich von Jess Edwards’ wachsender Popularität bedroht fühlte. Und laut Corinna war Jay das Opfer einer Schmutzkampagne, die von Jess initiiert worden war.«
    Helena lächelte Charlie gequält an. »Ich liebe dieses College zwar wirklich sehr, aber ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass jemand töten würde, um JCR -Vorsitzende zu werden.«
    »Da stimme ich Ihnen zu. Aber ich habe jede Menge Zeit mit Mördern zugebracht, und Sie wären bestimmt äußerst deprimiert zu erfahren, wie schrecklich trivial ihre Motive oft sind.«
    »Sie mögen recht haben. Ich hatte Corinna tatsächlich darauf hingewiesen, dass das, was sie gesehen hatte, viel Raum für allerlei Spekulationen ließ. Und dass, sobald sie mit der Polizei über einen Verdacht redete, die Medien über die betreffende Person hergefallen wären, denn sie wäre ein gefundenes Fressen gewesen. Ein Desaster wäre das für das College gewesen, zumal zu einer Zeit, als wir versuchten, uns neue Spendengelder zu sichern. Noch dazu ein sinnloses Desaster.«
    Charlie konnte es kaum fassen. Es ging hier um einen mehr oder weniger konkreten Mordverdacht, und alles, was zählte, war der gute Ruf des Colleges und das Sichern der Spendengelder. So etwas gab es nur in Oxford. Na ja, vielleicht noch in Cambridge. »Und Sie sind ganz sicher, dass die Polizei, wenn man sie auf die Möglichkeit einer Gewalttat hingewiesen hätte, nicht doch entsprechende Beweise gefunden hätte?«
    »Meine liebe Charlie, es

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