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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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auszuschließen, dass Jukka ausgerutscht und mit dem Kopf aufgeschlagen war. Aber worüber sollte er auf dem leeren Bootssteg gestolpert sein?
    «Der Schlag ist gegen drei oder vier Uhr geführt worden, wenn wir davon ausgehen, dass das Opfer sofort ins Wasser fiel. Da in der Wunde keine Fremdstoffe zu finden sind, ist von einem massiven Gegenstand auszugehen.»
    «Was willst du damit sagen?»
    «Na, zum Beispiel, dass es kein bröckliger Stein gewesen sein kann. Andererseits war der Gegenstand stumpf, aber nicht unbedingt ganz glatt, den Wundrändern nach.»
    «Wie viel Kraft hat der Schlag erfordert?»
    «Das hängt von der Waffe ab. Mit einem großen, schweren Gegenstand hätte selbst ein Kind eine solche Verletzung zustande gebracht. Wenn alle deine Verdächtigen Erwachsene sind, solltest du keinen von ihnen ausschließen.»
    Mahkonens Bericht enthielt keine Überraschungen, war aber auch nicht gerade erhellend. Nach seinem Anruf war ich nach Hause gegangen, es war schon nach neun. Ich konnte nicht einschlafen, lechzte nach einem Schnaps, hatte aber nur einen ekelhaft süßen Kiwilikör im Haus, den ich vor einem halben Jahr von einem Abstecher nach Schweden mitgebracht hatte. Ich spielte mit dem Gedanken, irgendwo noch ein Bier zu trinken, fürchtete aber, dass es nicht bei einem bleiben würde. Außerdem war ich nicht gerade in geselliger Stimmung, ich hätte mich doch bloß über die aufdringlichen Kerle geärgert, von denen es in der Eckkneipe immer genug gab.
    Zum Glück rief dann noch ein alter Schulfreund an, und wir tratschten eine geschlagene halbe Stunde über gemeinsame Bekannte. Er war die reinste Nachrichtenagentur und hatte immer ein paar saftige Geschichten parat, neben denen sogar Morde verblassten.
    Jetzt saß ich in der Straßenbahn, starrte zum Fenster hinaus und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Die Abendblätter waren noch nicht erschienen, aber ich fürchtete, dass mindestens in einer der beiden Redaktionen schon jemand über der Story saß. Der Sommer war zur Hälfte vorbei, ganz Finnland machte Urlaub, es war Sauregurkenzeit. Ich hatte keine Lust, mich in den Schlagzeilen zu finden. «Frau leitet Ermittlungen: Mord noch ungeklärt» und dergleichen.
    In Pasila herrschte schon Hochbetrieb, als ich ankam. Auf meinem Schreibtisch lag eine Notiz, ich solle meinem Vorgesetzten über den Fall Bericht erstatten. Ich setzte mein Dienstgesicht auf und marschierte in das verqualmte Chefbüro. In nüchternem Zustand vertrug ich weder Zigarren- noch Zigarettenrauch, und ich scheute mich nicht, meine Aversion zu zeigen. Vielleicht fühlte er sich mit seinem Riesenschreibtisch und seiner Zigarre wie der Held einer amerikanischen Detektivserie. Ob er wohl auch eine Kognakflasche im Büro hatte?
    Ich versuchte optimistisch, den Fall loszuwerden, indem ich erwähnte, dass ich das Opfer gekannt hatte. Das nutzte mir aber gar nichts, weil von meinen Kollegen niemand frei war.
    «Vom Rauschgiftdezernat haben sie heute früh schon angerufen und um Unterstützung gebeten. Offensichtlich sind sie einem größeren Dealerring auf der Spur, aber mit ihren Verhaftungen ein bisschen voreilig gewesen. Die kleinen Fische, die sie geschnappt haben, bringen sie nicht weiter. Denen habe ich auch keinen zusätzlichen Mann geben können. Kinnunen ist die ganze Woche krankgeschrieben … Ich habe gerade das Attest bekommen. Alle ranghöheren Ermittler sind völlig ausgelastet … Wenn du also jetzt diesen Fall übernehmen würdest …» Der Chef kaute verlegen auf seiner Zigarre herum. Für die älteren Mitarbeiter des Präsidiums war Kinnunens Alkoholismus offenbar ein Thema, an das man nicht rühren durfte.
    «Du hast doch jetzt schon Erfahrung. Und Saarinen ist bis Ende September wahrscheinlich noch nicht wieder gesund, sodass wir dich auch noch länger beschäftigen können. Wenn du mit diesem Fall gut zurechtkommst, lässt sich vielleicht auch über eine feste Anstellung reden … An Frauen herrscht in unserem Beruf ja nicht gerade Überfluss …» Er zerdehnte die Worte, als spräche er sie ungern aus.
    «Na ja, darüber können wir ja später noch sprechen.» Ich wollte keine Zusage machen, eigentlich hatte ich nämlich vor, meinen Job so bald wie möglich aufzugeben, aber gerade jetzt wollte ich meinen Boss nicht mehr verärgern als unbedingt nötig.
    «Der Vater des Opfers aus Vuosaari, Diplomingenieur Peltonen, kommt doch heute zu dir? Sei vorsichtig mit ihm, das ist nicht irgendwer, er sitzt sogar im

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