Alle Singen Im Chor
Ich brauchte mir nicht den Kopf zu zerbrechen, wie ich das Gespräch eröffnen sollte, denn Heikki Peltonen übernahm die Initiative.
«Fräulein Kallio, oder Frau Kallio, ich hoffe sehr, dass der Tod meines Sohnes Jukka möglichst bald aufgeklärt wird. Ein solcher Unglücksfall ist auch ohne polizeiliche Vernehmungen schlimm genug. Es wäre einfach zu viel verlangt, meiner zutiefst erschütterten Frau irgendwelche Fragen zu stellen. Wie ich gehört habe, wurden selbst Jukkas Freunde aufs Präsidium zitiert und ausgefragt.»
«Es tut mir Leid, aber wir müssen alle Möglichkeiten ins Auge fassen. Einer seiner Freunde war möglicherweise dabei, als Jukka starb.»
«Sie behaupten also, dass mein Sohn ermordet wurde?»
«Ich behaupte vorläufig gar nichts. Aber wir müssen auch diese Möglichkeit in Betracht ziehen.»
«Jukkas Freunde sind gebildete junge Leute, aus welchem Grund sollten sie jemanden umbringen? Wenn es tatsächlich ein Mord war, was ich nicht glaube, war der Täter mit Sicherheit ein Fremder. Im Frühjahr hat es hier viele Einbrüche gegeben, und in der Gegend hausen alle möglichen Landstreicher. Und es ist doch immerhin denkbar, dass Jukka einfach ausgerutscht ist … Die jungen Leute haben offenbar ein bisschen viel getrunken und der Bootssteg ist manchmal glatt.»
«Tja … Woran hätte er sich dann aber den Kopf aufgeschlagen? Der Bootssteg liegt so hoch über der Wasserfläche, dass ihn die Wellen nicht erreichen, daher müssten Spuren zu sehen sein, wenn Jukka mit dem Kopf gegen den Rand geschlagen wäre. Neben dem Bootssteg befinden sich auch keine Steine, die infrage kämen. Die nächsten Felsbrocken sind die, an denen er lehnte, als er gefunden wurde. Es ist unmöglich, an diese Felsen zu schlagen, wenn man vom Bootssteg fällt. Wir haben das überprüft.»
Die Jungs von der Technik hatten über das Experiment gelacht, das hauptsächlich darin bestand, im flachen Wasser zu planschen, hatten es aber trotzdem ausgeführt.
Peltonen wollte Fakten. Mit Theorien allein war er nicht zu überzeugen. Nicht zum ersten Mal wurde ich im Gespräch mit älteren, einflussreichen Männern selbst in die Rolle der Vernommenen gedrängt. Ich regte mich auch nicht mehr über die neugierige Frage nach meinem Familienstand auf und ließ mich ohne Protest als Fräulein titulieren statt als Kriminalhauptmeister. Egal. Ich hatte die Nase voll davon, in jeder Kleinigkeit die Welt verbessern zu wollen.
«Es hat meine Frau im Übrigen sehr schockiert, dass man ihr Fingerabdrücke abgenommen hat wie einer Verbrecherin. Damit hätte man zumindest noch ein paar Tage warten können!»
«Man hat Ihnen gestern Fingerabdrücke abgenommen? Das tut mir aufrichtig Leid, das ist irrtümlich geschehen.»
Da war wohl einer der Techniker übereifrig gewesen. Ich hatte gebeten, sicherheitshalber Fingerabdrücke von den Chormitgliedern zu nehmen, aber von den Peltonens war nicht die Rede gewesen. Ich versuchte, mir meine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen.
«Sie haben noch einen zweiten Sohn, Jarmo Peltonen? Er ist außer Landes, auf einer Regatta in den USA, bin ich da richtig informiert?»
«Ja. Jarmo fährt als zweiter Segelmacher auf der ‹Marlboro of Finland›, die an einem neuen großen Cup für Riesenjollen teilnimmt. Wir wissen nicht recht, ob wir ihn jetzt schon von dem traurigen Ereignis in Kenntnis setzen sollen oder erst nach dem Rennen. Diese Regatta bedeutet ihm sehr viel … Auf dem gleichen Boot fährt auch ein Bekannter von Jukka, Peter Wahlroos, dessen Frau Piia meines Wissens auch in der Villa Maisetta war. Hoffentlich wird den beiden nicht das ganze Rennen verdorben …»
Wieder dieses Festbeißen an Trivialitäten, eine typische Abwehrreaktion, dachte ich.
Ansonsten erfuhr ich nicht viel. Peltonen schien über das Leben seines älteren Sohnes nur sehr oberflächlich informiert zu sein. Jukka war ab und zu zum Essen in sein Elternhaus im Espooer Luxusviertel Westend gekommen, und in der Villa hatten sie sich häufiger gesehen, aber der Sohn war schon vor Jahren ausgezogen und lebte sein eigenes Leben.
«Jukka wechselte seine Freundinnen vielleicht ein bisschen zu häufig, und natürlich hofften wir, dass er allmählich eine feste Bindung eingeht. Aber ansonsten hatte er sein Leben im Griff. Seine Wohnung ist abbezahlt, er hat an der technischen Hochschule ein glänzendes Examen gemacht, seine Arbeit bei der Suomen Metalli AG schien ihm Freude zu bereiten, seine Hobbys, Segeln und Musik, waren
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