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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Aufsichtsrat vom Neste-Konzern. Und sein zweiter Sohn nimmt gerade an dieser großen Regatta teil, das kann unangenehme Publicity geben.» Sein Gesicht war drei Stufen grauer als sonst. Wenn Leute sich aufregen, werden sie im Allgemeinen rot im Gesicht, aber er wurde immer grauer, bis seine Gesichtsfarbe das genaue Gegenteil aller existierenden Farben zu sein schien.
    Ich fragte mich, woher er wusste, wie bedeutend Peltonen war. Jedenfalls steckte ich ganz schön in der Tinte. Ohne die Autoritätsgläubigkeit des Chefs wäre die Arbeit im Dezernat leichter gewesen. Ich hatte am Rande miterlebt, wie er in der Angst um seine eigene Position die Voruntersuchung gegen einen aufstrebenden Politiker gebremst hatte, der der Vergewaltigung beschuldigt wurde. Zu guter Letzt hatte das Opfer seine Anzeige zurückgezogen. Ich selbst hatte mit den Ermittlungen nichts zu tun gehabt, obwohl bei Vergewaltigungen glücklicherweise in aller Regel weibliche Beamte eingesetzt wurden. Dafür kannte ich aber Kriminalhauptmeister Männikkö ganz gut, der bei den Ermittlungen assistiert hatte. Was er über den Fall berichtete, hörte sich an wie aus einer Seifenoper. Das Opfer war eine Frau in mittleren Jahren, die den Abendblättern zufolge mehrere Liebhaber hatte. Schließlich war die ganze Geschichte so hingebogen worden, dass der Politiker als Opfer einer Intrige erschien. Er spielte den Märtyrer und behauptete, die Frau habe den ganzen Vorfall inszeniert, um ihn in schlechten Ruf zu bringen. Die Boulevardblätter hatten sich seine Version zu Eigen gemacht, und seither hatte der Chef noch mehr Respekt vor hohen Tieren.
    «Karppanen ist seit heute in Urlaub. Wir haben ein ziemliches Personaldefizit, aber wenn nötig, kannst du dir Koivu als Assistenten nehmen, und Miettinen arbeitet mal für dich und mal für Savukoski. Savukoski hat zwar noch mit dem Raubmord zu tun, aber wir wollen zusehen, dass wir deinen Fall möglichst schnell abschließen können.»
    Das Cheftelefon klingelte, was mir die Gelegenheit gab, mich zu verdrücken. Ich wollte nicht über eine Verlängerung meines Arbeitsvertrags nachdenken. Natürlich wäre das eine bequeme Lösung für meine Berufswahlprobleme: Ich könnte meine Entscheidung wieder ein halbes Jahr vor mir herschieben.
    Auch mein Telefon schrillte heftig, als ich in mein Büro kam.
    «Hallo, hier ist Hiltunen aus Vuosaari.» Einer der Polizisten, die gestern bei der Villa im Einsatz gewesen waren. Ich erinnerte mich an ihn, ein blonder, energischer Bursche, dessen Stimme jetzt ganz aufgeregt klang. «Ich glaub, ich hab die Tatwaffe gefunden …»
    «Was?!» Ich erschrak über meine eigene Lautstärke. «Was hast du gefunden?»
    «Das ist so eine Axt, wo Blut dran ist … Sie hat unter der Sauna gelegen, im Gestrüpp. Soll ich sie nach Pasila rüberbringen?»
    «Ich schick einen Fotografen hin. Du bist doch mit deinem Partner da? Okay, dann soll er bei der Villa bleiben, und du kommst mit der Axt her, sobald die Fotos gemacht sind. Seht zu, dass die Fundstelle möglichst unberührt bleibt, ich komm am Nachmittag raus, wenn ich es irgendwie schaffe.»
    Eine Axt … das klang ebenso ekelhaft wie banal. Hiltunen schien sehr stolz zu sein. Gerade erst zwanzig, noch ein halbes Kind. Hoffentlich hatte er nicht alle Spuren zerstört. Wenn das Blut von Jukka stammte, konnten wir allen Ernstes von einem Mord ausgehen. Aber wie in aller Welt war die Axt ans Ufer geraten, so ein Werkzeug bewahrte man doch im Geräteschuppen auf?
    Ich versuchte noch rasch, Jaana in Kassel anzurufen, kam aber nicht durch. Ihre Telefonnummer hatte ich auf einer alten Weihnachtskarte gefunden, die ich nur aufgehoben hatte, weil auf der Vorderseite ein gut gebauter Weihnachtsmann prangte, nur mit Rauschebart und Zipfelmütze bekleidet.
    Heikki Peltonen war pünktlich. Nach unserem Telefongespräch hatte ich einen ergrauten älteren Herrn mit Bäuchlein erwartet, der sonntags gemütliche Segeltörns unternahm. Tatsächlich wirkte er fast zu jung, um Jukkas Vater zu sein, er sah aus wie vierzig, dabei musste er mindestens Anfang fünfzig sein. Sein Körper war voller Spannkraft, das Gesicht von vielen Wochenenden auf dem Meer gebräunt. Jukka hatte den blonden Wikinger-Look eindeutig von seinem Vater geerbt. Der Stoff des dunkelgrauen Anzugs sah verdächtig nach Seide aus. Der Händedruck und der Blick, der ihn begleitete, hätten mich unter normalen Umständen erröten lassen, obwohl ich nicht unbedingt für ältere Männer schwärme.

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