Alle Singen Im Chor
eine langweilige Fernsehsendung ansehen.
«Jukka hatte schon am Donnerstag von den Verhaftungen erfahren, offenbar hat ihn Mattinen gewarnt, als einer seiner Zwischenhändler nicht aufgetaucht ist. Jukka hat sich Sorgen gemacht und angefangen, seine Flucht vorzubereiten. Am Samstag haben die Nachrichten die leicht übertriebene Meldung von der Verhaftung eines Dealerrings gebracht. Da muss Jukka ziemlich in Panik geraten sein. Ich nehme an, er ist kein guter Verlierer. Du hast ihn trotzdem überreden können, sich in der Nacht mit dir am Bootssteg zu treffen. Ihr musstet miteinander reden. Wenn Mattinen wirklich verhaftet worden war, konnte es euch beiden an den Kragen gehen. Während eures Gesprächs habt ihr euch über irgendwas gestritten, und du hast Jukka mit der Axt niedergeschlagen. Vielleicht wusste Mattinen nicht, wie du heißt. Vielleicht hast du dir gedacht, wenn Jukka tot ist, kann dich keiner verraten.»
«Ich hab doch die ganze Nacht geschlafen. Das können alle bezeugen, ich hab doch laut geschnarcht, wie immer, wenn ich ein bisschen zu viel getrunken hab. Und wieso sind meine Fingerabdrücke nicht auf der berühmten Axt, wenn ich angeblich Jukka damit erschlagen hab?»
«Gerade das Schnarchen hat dich verraten. Jyri hat mir erzählt, du hättest hübsch auf dem Rücken gelegen und geschnarcht. Mirja hat aber ausgesagt, dass sie versucht hat, dich vom Bauch auf den Rücken zu drehen, damit du aufhörst zu schnarchen. Im Allgemeinen schnarcht man doch nur in einer Stellung. Da hast du schlampig geschauspielert.
Und dann die Fingerabdrücke. Natürlich hattest du kalte Hände, mitten in der Nacht am Bootssteg. Du hattest deine überlangen Pulloverärmel über die Hände gezogen, als du die Axt gepackt hast, und auch, als du sie hinterher unter der Sauna versteckt hast. Das hast du mir letzte Woche ja geradezu unter die Nase gerieben.» Es wollte mir nicht gelingen, meine Wut zu unterdrücken. «An dem Abend im ‹Elite› wolltest du doch bloß rausfinden, was ich weiß. Alle deine lustigen Geschichten und dein Gerede von Freundschaft und Gleichgesinntheit – alles nur gespielt. Und ich hab das ernst genommen!»
«Das war nicht gespielt.» Tuulia schaute zum Fenster hinaus. «Ich hab wirklich geglaubt, du verstehst mich.»
«Hast du etwa geglaubt, ich würde es gutheißen, dass du vom Kokainhandel lebst?»
«Ich hab doch nicht gewusst, dass es Kokain war!» Die violette Teetasse klirrte gegen die Untertasse. Tuulia stand auf, goss sich Tee nach und sagte langsam:
«Das war’s dann wohl. Am besten erzähl ich dir die ganze Geschichte. Damit du wenigstens ein bisschen verstehst. Möchtest du übrigens auch noch Tee?» Ich nickte, sie schenkte mir nach, stellte die Kanne auf der Spüle ab und setzte sich an den Tisch. Sie bewegte sich schwerfällig wie ein verwundetes Tier und sprach leiser als gewöhnlich. Sie schaute auf den Hof. Eine Bachstelze setzte sich aufs Fensterbrett, starrte die Brotkrümel hinter der Scheibe begehrlich an und flog wieder fort. Schließlich begann Tuulia zu erzählen.
«Du hast ziemlich richtig geraten, was unsere Geschäfte angeht. Eigentlich hat alles ganz zufällig begonnen.» Tuulia lächelte über ihre Erinnerungen. «Im Sommer vor zwei Jahren war ich mit Jukka zum Rockclub im ‹Kaivohuone›. Ich hatte mich ein bisschen greller zurechtgemacht als sonst, viel Make-up, die Haare aufgesteckt, hochhackige Schuhe, superkurzer Mini. Am späten Abend kam so ein mittelaltriger Spießer an und fragte, wie viel. Ich hab erst gar nicht begriffen, was er meint. Dann hab ich zum Spaß gesagt, tausend, aber im Voraus. Der hat mir mit seinem Geld fast vor der Nase rumgewedelt. Ich konnte Jukka gerade noch tschüs sagen, da saßen wir auch schon im Taxi zu dem Hotel, wo der Typ wohnte.
Ich hab Jukka natürlich davon erzählt, und ein paar Wochen später hat irgendein Gast seiner Firma eine Begleiterin gesucht. Jukka hat mich vermittelt, natürlich wieder gegen Bezahlung. Wir haben das Geschäft dann eine Weile betrieben, halb im Spaß. Es war ganz lustig. Damals waren noch nicht so viel Mädchen auf dem Markt wie jetzt, die Typen haben wer weiß was hingeblättert. Jukka hat dann noch ein paar andere Mädchen angeworben, weil sich in Geschäftskreisen allmählich rumgesprochen hatte, dass man bei ihm gute und gesunde Bekanntschaften für eine Nacht kriegt.
Ich hab das ein gutes halbes Jahr gemacht, dann hatte ich genug davon. Das war letzten Endes kein einfacher Job, im
Weitere Kostenlose Bücher