Alle Singen Im Chor
übergeben hat. Und ein paar Mal hast du sicher Jukkas Auto vor Mattinens Garage abgestellt, wenn Jukka es nicht selbst hinbringen konnte. Das war wohl mit der Notiz ‹Tuulia nicht am Montag› auf Jukkas Telefonblöckchen gemeint. Du solltest Mattinen das Auto nicht bringen, weil er befürchtete, er stünde unter Beobachtung.»
«Von wem willst du das denn gehört haben? Von ÄM, ich meine, von Mattinen?» Zu spät begriff Tuulia, was ihr da herausgerutscht war.
«Spielt doch keine Rolle. Ihr habt euch zwar gut getarnt, aber letzten Endes wussten ziemlich viele von euren Geschäften. Jukka musste seine Finger eben überall reinstecken. Ich weiß nicht, wo er Mattinen kennen gelernt hat, vielleicht in einem der Nachtklubs, in denen Jukka sich seine Mädchen ausgesucht hat. Mattinen hatte gute Kontakte zu Drogendealern in Tallinn und ein fertiges Vertriebsnetz hier in Finnland, aber er brauchte einen unverdächtigen Kurier, der den Stoff durch den Zoll brachte. Jukka hat offenbar im Winter ein paar Mal Haschisch aus Estland mitgebracht. Als er merkte, wie leicht das ging, ist er auf die Idee gekommen, auch mal größere Fuhren zu übernehmen.
Um die gleiche Zeit hat Mattinen erfahren, dass in Tallinn eine größere Lieferung angeboten wurde. Jarmo und Peter planten eine Testfahrt auf der ‹Marlboro›, und Jukka konnte sie mühelos überreden, Tallinn als Ziel zu wählen, indem er ihnen das Chorkonzert schmackhaft gemacht hat. Alles lief wie geplant. Wahrscheinlich seid ihr kurz zu zweit in die Innenstadt gegangen, habt Mattinen getroffen und den Stoff in Empfang genommen.»
Tuulia lächelte mich an, wie man ein kleines Kind anlächelt, das einem erzählt, es hätte im Wald Gespenster gesehen.
«Mag ja sein, dass Jukka in so was verwickelt war. Ich weiß nur, dass er ab und zu illegal Schnaps verkauft und Frauen vermittelt hat. Vielleicht hat er auf der ‹Marlboro› Drogen geschmuggelt, aber warum hätte er mich da reinziehen sollen?»
«Du warst Jukkas engste Vertraute. Ich glaub, das Ganze hat vor zwei Jahren angefangen, mit Jukkas Frauenvermittlung. Bei dir herrschte chronischer Geldmangel, und als er dir vorschlug, gelegentlich für Geld mit einem ins Bett zu gehen, hast du ja gesagt. Seine Mädchen sind längst nicht alle aus dem Osten, da sind auch ganz normale finnische Studentinnen dabei. Solche wie du.
Du hattest aber ziemlich bald genug davon. War sicher keine besonders angenehme Art, Geld zu verdienen. Geld hast du aber immer noch gebraucht. Du hast mir im ‹Elite› ja erzählt, wie du leben möchtest. Wild, frei, unkonventionell. Und ich hab dich darum beneidet. Also bist du mit deinen Geldsorgen wieder zu Jukka gegangen, und der hat dir andere Jobs angeboten. Du hast für Mattinen Haschisch transportiert und wahrscheinlich ab und zu auch selbst welches verkauft. Und bei der Bootsfahrt brauchte Jukka einen Helfer. Es ist zu gefährlich, nachts allein in Tallinn rumzulaufen. Außerdem müsst ihr irgendeinen Reserveplan gehabt haben, für den Fall, dass der Zoll sich zu sehr für euch interessiert hätte.
Dann hat Jukka vermutlich die Gier gepackt. Mattinen nahm sich seiner Meinung nach zu viel vom Kuchen. Also hat er sich geweigert, ihm den Stoff, den er eingeschmuggelt hatte, auf einmal abzuliefern. Stattdessen hat er ihm Teillieferungen zukommen lassen und jedes Mal eine hübsche Provision verlangt. Er war nicht mal bereit, sich mit Mattinen zu treffen. Daher musstest du den Wagen zu Mattinen fahren und wieder abholen. Mattinen hat mitgespielt, weil ihm nichts anderes übrig blieb.»
«Dann hat Mattinen also Jukka umgebracht, weil der zu gierig wurde?»
«Mattinen hat Jukka nicht umgebracht. Der hat ihm noch am Sonntagabend eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Er war dabei, sich abzusetzen. Du hast Jukka getötet. Und zwar ganz umsonst. Mattinen ist nicht geschnappt worden. Niemand hätte dich und Jukka anschwärzen können.»
Tuulia sah müde aus. Wie lange würde sie noch durchhalten? Ich hatte nichts als Indizien gegen sie in der Hand. Wenn ich sie wegen des Mordes an Jukka vor Gericht bringen wollte, musste ich sie zu einem Geständnis bewegen. Aber wollte ich das? Ich musste mein privates Ich verdrängen. Ich war Polizistin und hatte einen Mord aufzuklären. Etwas anderes zählte jetzt nicht. Ich trank einen Schluck Tee und setzte meinen Monolog fort. Es kam mir vor, als redete ich gegen eine Wand. Auf Tuulias Gesicht lag ein schiefes Lächeln, als müsste sie sich
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