Alle Singen Im Chor
Gegenteil. Ich bekam ein ganz komisches Verhältnis zu meinem eigenen Körper. Ich hab Jukka gesagt, dass ich aufhöre. Er hat das gleich akzeptiert, er hatte sowieso genug Frauen.
Ein Jahr lang war alles gut, aber dann war ich wieder total blank. Eine Zeit lang hab ich mir von Jukka Geld geliehen. Er sagte, er hätte neuerdings alle möglichen Geschäfte laufen, die ihm ziemlich viel einbringen. Irgendeine Tiina hatte ihn mit diesem Mattinen bekannt gemacht. Sie haben Hasch importiert und ich hab ein paar Mal was in irgendwelchen Klubs verkauft, aber das war ziemlich riskant.
Anfang Mai hat Jukka angerufen und gesagt, in Estland läge eine große Ladung Stoff. Wir haben uns dann gemeinsam diesen Ausflug mit der ‹Marlboro› ausgedacht. Bloß ein Fehler ist uns unterlaufen. Als wir nämlich sagten, wir wollten ins Konzert des Kammerchors der Estnischen Philharmonie, wollten dann nämlich Antti, Timo und Sirkku plötzlich auch mitfahren. Es war ganz schön schwer, sie abzuschütteln, vor allem Antti.
Wir haben den Stoff zwar problemlos nach Finnland gebracht, aber ich war echt nervös. Ich hab so getan, als ob ich seekrank wäre, dabei hab ich vor lauter Angst gekotzt. Jukka war auch ziemlich kribblig. Wir haben das Zeug an Land gebracht, aber Jukka hat es Mattinen nicht komplett abgeliefert, sondern in kleineren Mengen in seinem Auto, für einen viel höheren Preis, als vereinbart war. Mir hat das ein bisschen Angst gemacht. Ich wusste, dass Mattinen alle möglichen Verbindungen hat. Jukka hat nur gelacht und gesagt, er wäre viel intelligenter als Mattinen. Ich hab Jukka gefragt, ob ich ihm überhaupt trauen kann, wenn er die ganze Zeit Leute übers Ohr haut. Er hat mich an sich gezogen und gesagt, ich wäre sein bester Kumpel, ein Sonderfall. Mich würde er nie betrügen.
Ich weiß ja nur, was Jukka mir erzählt hat. Ich hab wirklich geglaubt, das wäre Haschisch! Er hat mich am Donnerstagabend angerufen und gesagt, jetzt müssten wir vorsichtig sein. Einer von Mattinens Dealern war geschnappt worden. Natürlich wussten wir alle beide, was das heißt: Ihr bei der Polizei schließt mit den kleinen Fischen einen Handel ab, um die größeren zu kriegen. Und jeder versucht natürlich, seine eigene Haut zu retten. Jukka hat dann versucht, Mattinen den Stoff zu Dumpingpreisen anzudrehen, bloß um ihn loszuwerden. Er war total in Panik am Donnerstag. Am Freitag hat er sich dann ein bisschen beruhigt. Mattinen hatte ihm das Zeug abgekauft, er hatte wieder Geld, und alles war in Ordnung.
Am Samstag, als wir gerade auf dem Weg nach Vuosaari waren, haben sie dann im Radio gesagt, es wären weitere Mitglieder einer Kokainbande verhaftet worden. Ich hab bloß gelacht, uns betraf das ja nicht, wir hatten ja nie mit Kokain gedealt. Mit Jukka konnte ich nur ein paar Worte wechseln. Der war plötzlich wieder ganz nervös und ging mir aus dem Weg. Ich hab ihn irgendwann gefragt, ob es in der Nachrichtenmeldung um unsere Bekannten ging, da hat er genickt und gesagt, wenn Mattinen erwischt worden ist, sitzen wir mit in der Scheiße.»
Tuulia trank ihre Tasse leer. Ich sah Wut und Beklemmung in ihren Augen und überlegte wieder einmal, was sie wohl für Jukka empfunden hatte.
«Er hat mir schließlich versprochen, in der Nacht mit mir zu reden, wenn die anderen schlafen. Ich hab bis um vier wach gelegen und darüber nachgedacht, wie schwer der Kerl mich betrogen hat. Du kannst das natürlich nicht begreifen, für dich sind Haschisch und Kokain ein und dasselbe. Aber wir haben doch alle in Roskilde oder Amsterdam Hasch geraucht. Ich sauf mir allerdings lieber einen an. Aber Kokain ist ganz was anderes, damit wollte ich nie was zu tun haben. Außerdem hatte ich Jukka vertraut. Ich hab ihn mein ganzes Leben lang gekannt, und er hatte mich noch nie betrogen.
Ich hab gewartet und gewartet. Andauernd stand wieder einer auf und lief im Haus rum. Dann ist Jukka zum Steg gegangen. Ich wollte gerade aufstehen, als ich hörte, wie Sirkku ihm nachlief. Erst hab ich gedacht, das wäre auch wieder Jukkas Idee gewesen, noch ein Versuch, mir aus dem Weg zu gehen, und als Sirkku dann zurückkam, war ich wahnsinnig sauer. Ich musste mich fürchterlich zusammennehmen, um ihn nicht anzubrüllen, als ich ihn gesehen hab, wie er da auf dem Bootssteg saß, mit den Beinen schlenkerte und den Sonnenaufgang bewunderte, als wäre alles in bester Ordnung. Ich hab ihn gefragt, warum er mir nicht die Wahrheit gesagt hat. Er hat mich ausgelacht. ‹Hast du
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