Alle Singen Im Chor
mitgesegelt. Timo konnte man nicht als mager bezeichnen, und Sirkku würde selbst im Dunkeln niemand für einen Mann halten. Wie viel Gewicht durfte ich auf Tiinas Aussage legen? Es konnte auch Peter Wahlroos gewesen sein, der in Jukkas Wagen gesessen hatte, und dann hätte Piia ein einleuchtendes Motiv gehabt, Jukka umzubringen. Vorausgesetzt, Jukka hatte sie und ihren Mann mit ihrer Beteiligung am Rauschgifthandel erpresst. Oder es war Tuulia, die im Dunkeln durchaus als Mann durchgehen konnte. Oder Antti, der Längste und Dünnste von allen.
Ich las meine Unterlagen wieder und weder durch. Allmählich zeichnete sich die Wahrheit ab, die Mosaiksteinchen fanden ihren Platz. Das Muster trat hervor, aber es gefiel mir nicht. Einen meiner Verdächtigen hatte ich völlig falsch eingeschätzt.
Vierzehn
Ist es Selbstbetrug nur?
Gegen vier Uhr nachmittags war ich mir meiner Sache sicher. Ich führte einige Telefonate, sah in den Unterlagen nach, überprüfte meine Informationen. Kurz nach sechs entschloss ich mich, zu handeln. Antti hatte sich immer noch nicht gemeldet. Bei dem Gedanken, was ihm zugestoßen sein konnte, wurde mir angst und bange. Wenn Antti tot war, fiel die Schuld auch auf mich, weil ich die Wahrheit nicht schnell genug herausgefunden hatte.
Ich parkte ein paar Häuser weiter. Ich hatte mich nicht vergewissert, ob die Person, die ich vernehmen wollte, zu Hause war. Wenn es sein musste, würde ich die ganze Nacht auf sie warten. Ich ging die Treppe in den ersten Stock des alten Holzhauses hinauf und klingelte. Hinter der Tür waren Schritte zu hören, die ohne Zögern näher kamen. Falls die Frau, die mir öffnete, überrascht war, ließ sie es sich nicht anmerken.
«Tag, Maria! Ein kleiner Gegenbesuch? Ich mach mir gerade Tee, ich glaub, das Wasser kocht schon. Möchtest du auch einen? Komm doch rein.» Vielleicht sprach sie eine Spur zu hektisch.
«Ja gern, danke.» Ich folgte ihr in die Küche, die viel zu eng war für den großen Esstisch aus massivem Holz. Das Wasserblau der Vorhänge wiederholte sich an den Stühlen und im Tischtuch, das dunkle Violett des Teegeschirrs bildete einen hübschen Kontrast. Ich setzte mich an den Tisch und legte meine Handtasche auf die Fensterbank.
«Hast du etwas von Antti gehört?», fragte Tuulia und stellte einen Teller mit dünnen Gurkenscheiben auf den Tisch.
«Das Gleiche könnte ich dich fragen. Wenn du weißt, wo er ist, dann sag’s mir, um Himmels willen! Das spart uns Zeit und Mühe.»
«Ich hab keine Ahnung, wo er steckt. Glaubst du, Antti ist der Mörder?»
«Nein. Ich glaube, er weiß, wer es getan hat.»
Tuulia schenkte mir Tee ein. Ihre Hände zitterten nicht, kein Tropfen des nach Jasmin duftenden Getränks ging daneben. Wir saßen vor unseren Teetassen wie zwei alte Tanten beim Kaffeeklatsch. Draußen schien die Abendsonne, irgendwo kreischten spielende Kinder.
«Ich bin gekommen, um Jukkas Autoschlüssel zu holen. Gibst du sie mir bitte?» Tuulia stand wortlos auf, verschwand im Nebenzimmer und kam nach einer Weile zurück, das Schlüsselbund mit dem Schriftzug Vectra in der Hand.
«Wollen die Peltonens den Wagen verkaufen? Dazu brauchen sie natürlich alle Schlüssel.»
«Ich weiß nicht, ob er je wieder verkäuflich sein wird. Vielleicht ersetzt die Versicherung die Schäden an den Polstern. Jedenfalls ist das Auto jetzt nochmal gründlich untersucht worden. Warum hattest du eigentlich die Schlüssel?»
«Jukka hat mir Duplikate von allen seinen Schlüsseln gegeben. Er hatte immer Angst, seine zu verlieren, und meinte, es wäre gut, wenn einer von seinen Freunden Reserveschlüssel hat.»
«Im Wagen waren ziemlich viele Fingerabdrücke von dir. Du bist wohl öfter damit gefahren?»
«Ab und zu, wenn ich mal ein Auto brauchte.»
«War Mauri Mattinen ein guter Freund von Jukka? Der hatte nämlich auch einen Schlüsselsatz.» Nun zitterte die Hand mit der Teetasse. Tuulia fragte hastig:
«Wer soll das denn sein?»
Ich betrachtete Tuulias Hände. Sie trug ein T-Shirt mit überlangen Ärmeln. Offenbar hatte sie die Angewohnheit, die Ärmel über ihre frierenden Hände zu ziehen. Am rechten Ringfinger glitzerte der Ring, der mindestens so viel gekostet hatte, wie ein Polizist im Monat verdient. Ich hatte ihn für gut gemachten Modeschmuck gehalten, aber offenbar war er wirklich echt.
«Mattinen kennst du doch. Du hast ihn doch zumindest am Muttertag in Tallinn getroffen, als er Jukka und dir das Kokain
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