Alle Sorgen sind vergessen
es nicht fertig, ihm ihre Ängste und Wünsche zu offenbaren.
Jorge seinerseits wusste nicht, ob sein Plan Erfolg hatte. Nachts war Allison die leidenschaftliche Frau, nach der er sich gesehnt hatte, und er konnte nicht genug von ihr bekommen. Doch am Tag schien sie zwischen ihnen eine Wand zu errichten. Nie berührte sie ihn von sich aus. Er musste sich beherrschen, um sie nicht zu packen und zu fragen, was für Gedanken und Gefühle sie hinter dem höflichen Lächeln und den kühlen Blicken verbarg.
Die Rückfahrt nach New York verlief ruhig. Jorge besaß eine große Auswahl an CDs, und sie suchten abwechselnd Musik aus. Kurz vor Mittag hielten sie in der Tiefgarage unter Jorges Apartmenthaus. Als Allison kurz darauf die Wohnung betrat, stellte sie fest, dass Zoe sich nicht damit begnügt hatte, den Umzug zu organisieren und ihre Sachen auszupacken. An der Wand neben der Tür hing ihr gerahmter Kunstdruck von Monets Wasserlilien.
„Ich habe Zoe gebeten, sich um alles zu kümmern“, sagte sie rasch. „Mir war nicht klar, dass sie es so verstehen würde. Wir können den Druck wieder abnehmen.“
„Nein, lassen wir ihn, wo er ist.“ Er schloss die Tür und betrachtete ihn. „Das Bild gefällt mir. Bisher habe ich hier kaum mehr gemacht, als Bücher und Akten auf den Möbeln zu stapeln. Es ist schön, etwas an der Wand zu haben.“
Er trug die Reisetaschen ins Wohnzimmer. „Mal sehen, was Zoe sonst noch gemacht hat.“
Allison folgte ihm. Als Erstes fiel ihr Blick auf die Fotos ihrer Familie, die zusammen mit ihren antiken Salz und Pfefferstreuern neben dem Videorekorder standen. Der riesige Farn, der den Mittelpunkt ihres Wohnzimmers gebildet hatte, residierte jetzt in einer Ecke, in der er genug indirektes Sonnenlicht bekam. An der Wand dahinter hing das Plakat einer Pariser Revue aus dem Jahre 1898, und die leuchtend roten Kleider der CancanTänzerinnen brachten ein wenig Farbe in den Raum. Die dunkelblaue Decke, die sie auf dem College gestrickt hatte, lag auf der Rückenlehne der Ledercouch.
„Hübsch.“ Jorge klang zufrieden.
„Es macht dir nichts aus?“
„Nein. Wie gesagt, ich finde es schön, dass die Wohnung nicht mehr wie ein vernachlässigtes Büro, sondern wie ein Zuhause aussieht.“
Er ging weiter. Sie folgte ihm, und als sie das Schlafzimmer betrat, stellte er gerade die Taschen ab.
„Ich habe dir die Hälfte des Schranks und der Schubladen ausgeräumt.“ Er schob die verspiegelten Türen auf.
Auch hier war Zoe tätig gewesen, denn Allisons Schuhe standen auf dem Boden und Blusen, Kostüme und Kleider hingen auf Bügeln.
Er drehte sich zu ihr um. „Ich muss mich bei Zoe bedanken. Je weniger du auspackst, desto besser ist es für dich und das Baby, richtig?“
„Ja.“ Sie ließ den Blick umherwandern. Ihr alter Korbtisch stand am Kopfende des Betts, und auf der Glasplatte standen ihre Leselampe, der Wecker und ein Krimi ihres Lieblingsautors. Sie schaute ins Bad. Auf der Marmorplatte neben dem Waschbecken stand ihre Kollektion Parfumflaschen. Schlagartig wurde ihr wieder bewusst, wie sehr sich ihr Leben verändert hatte. Panik stieg in ihr auf.
„Hast du Hunger?“
Dankbar für die Ablenkung nickte sie. „Und wie.“ Sie schaute an sich hinab. Unter dem gelben Pullover war der Bauch noch immer flach. „Ich kann nicht glauben, wie hungrig ich dauernd bin.“
Jorge lächelte. Er legte einen Arm um Allisons Schultern und führte sie aus dem Schlafzimmer. „Das ist bestimmt ein gutes Zeichen. Mal sehen, was wir im Kühlschrank haben.“
Am nächsten Morgen blieb Allison vor dem Eingang von Manhattan Multiples stehen und atmete tief durch, bevor sie hineinging.
„Guten Morgen, Josie.“
Die Empfangssekretärin hob den Kopf und lächelte. Ihre blauen Augen funkelten warm. „Guten Morgen, Allison. Wie war dein langes Wochenende?“
„Großartig“, erwiderte Allison. Sollte sie Josie erzählen, dass sie geheiratet hatte?
Nein, es war besser, wenn Eloise es als Erste erfuhr. „Und wie war dein Wochenende?“
„Sehr schön.“ Josie nahm eine Hand voll Nachrichten aus Allisons Fach und reichte sie ihr. „Ich habe am Samstagabend im Inside Out eins meiner Gedichte vorgetragen, und das Publikum war begeistert.“
„Das freut mich für dich“, meinte Allison lächelnd. Die Poesie war Josies große Leidenschaft.
Als das Telefon läutete, nahm Josie ab und winkte ihrer Kollegin nach.
Allison betrat ihr Büro, legte Nachrichten, Handtasche und Aktenkoffer auf den
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