Alle Sorgen sind vergessen
hinterher, bis sie im Gebäude verschwand.
Allison war spät dran. Es hatte länger gedauert, den Bericht für Eloise zu überarbeiten, als sie erwartet hatte. Daher war es schon nach halb elf, als sie leise den Gerichtssaal betrat und sich einen Platz in einer der hinteren Reihen suchte. Der Zuschauerraum war fast voll besetzt. Reporter, Familienangehörige, andere Anwälte und Leute, die den Prozess nicht nur in den Medien verfolgen wollten, drängten sich auf den harten Bänken.
Leer waren nur die Plätze, auf denen normalerweise die Geschworenen saßen.
Sie waren entlassen, während Verteidigung und Anklage dem Richter ihre gegensätzlichen Auffassungen über die Zulassung von Beweisstücken vortrugen.
Allison zog den Mantel aus, da es im Raum sehr warm war, und machte es sich so bequem wie möglich. Den Anwalt, der gerade sprach, kannte sie nicht, aber ihr wurde schnell klar, dass er einer der Verteidiger war.
Wie alle anderen hörte sie genau zu, während er vehement dagegen protestierte, dass die Jury die Fotos zu sehen bekam und dadurch zu einem vorschnellen Urteil über den Angeklagten gelangte.
Fotos? Allison beugte sich zur Seite, um an dem breitschultrigen Mann vor ihr vorbeisehen zu können. Ihr Blick fiel auf die drei Staffeleien, die so vor dem Richtertisch standen, dass alle Prozessbeteiligten sie gut erkennen konnten.
Allison stockte der Atem. Die Fotos, um die es ging, zeigten den Tatort in allen schockierenden Einzelheiten.
Es wunderte Allison nicht, dass die Anklage sie den Geschworenen zeigen wollte.
Sie waren der sichtbare Beweis dafür, dass ein schreckliches Gewaltverbrechen begangen worden war.
Der Anwalt kam zum Ende und setzte sich wieder auf seinen Platz am Tisch der Verteidigung.
Der Richter, ein würdevoll wirkender Gentleman mit grauen Schläfen, schaute über seine Brille hinweg. „Mr.
Perez, möchten Sie erwidern?“
„Ja, Euer Ehren.“
Jorge erhob sich und ging zu den Staffeleien. Gebannt lauschte Allison, während er mit beeindruckender Logik dafür eintrat, sämtliche von der Anklage vorgelegten Beweismittel zuzulassen.
Als er fertig war, stellte der Richter einige Fragen nach den Entscheidungen anderer Gerichte, mit denen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Argumente untermauert hatten. Beide Anwälte antworteten fundiert, aber Jorge kannte sich offenbar bestens aus und konnte aus Urteilen und Rechtsvorschriften zitieren, ohne ein einziges Mal in seine Unterlagen blicken zu müssen.
Zusammen mit Allisons Respekt für seine juristischen Fähigkeiten wuchs allerdings auch ihre Verunsicherung. Er war einfach brillant. Sein großes Wissen, der messerscharfe Verstand und sein imponierendes Aussehen machten ihn im Gerichtssaal zu einer solchen Ausnahmeerscheinung, wie ihr Vater es in der Filmwelt war.
Sie wusste, welches Risiko das mit sich brachte. Jemand, der eine glanzvolle Karriere machte und überall Respekt und Bewunderung genoss, konnte blind für alles werden, was nichts mit seiner Arbeit zu tun hatte. Wie ihr Vater, dem jeder neue Film wichtiger gewesen war als die Bedürfnisse seiner Tochter, so konnte auch Jorge eines Tages vergessen, wie sehr ihr Baby ihn brauchte.
Und ich? dachte sie. Wird er spüren, wie sehr ich ihn brauche? Und wenn ja, wird er darauf Rücksicht nehmen?
Während Allison sich mit schmerzhaften Fragen quälte, teilte der Richter den Anwälten mit, dass er erst nach der Mittagspause über die Zulassung der Fotos entscheiden würde. Dann wies er den Gerichtsdiener an, die Staffeleien zu entfernen und die Geschworenen zu holen.
Als die Jury wieder im Saal war, rief er Henry Jackson erneut in den Zeugenstand.
Allison drehte sich um und sah, wie der schwergewichtige Buchhalter hereinkam und mit schleppenden Schritten nach vorne ging.
„Mr. Jackson, ich erinnere Sie daran, dass Sie noch immer unter Eid stehen.“ Der Richter wartete, bis der Mann nickte, dann sah er Jorge an. „Ihr Zeuge, Mr.
Perez.“
„Danke, Euer Ehren.“ Jorge erhob sich, warf einen Blick in seine Notizen und ging zum Zeugenstand.
Allison wusste, dass Henry Jackson für die Staatsanwaltschaft ein äußerst wichtiger Zeuge war. Er war der Buchhalter des Angeklagten und seines toten Geschäftspartners gewesen. Jorge hatte ihr erzählt, dass es vor dem Mord zwischen den beiden Männern zu einem heftigen Streit um den Profit aus einem Hotelneubau in New Jersey gekommen war. Jackson sagte nur widerwillig aus, weil die Art, wie er seine Bücher geführt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher