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Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Titel: Alle Toten fliegen hoch: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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hinauf. Sie halfen sich gegenseitig, stemmten und zogen sich hoch. Dann drückten sie ihre Haare in den Handtüchern aus, legten dabei die Köpfe schräg und machten sich Turbane – orange, rot, weiß. Sie setzten sich an die Stegkante und rauchten eine Zigarette. Das war eher ein Minuspunkt. Sie ließen ihre Beine baumeln, tippten mit den Zehen ins Wasser, reichten die Zigarette weiter und sahen über den See. Und wir lagen auf dem warmen Holz und taten so, als sähen wir ebenfalls in die Ferne. Da standen sie plötzlich auf, packten eilig zusammen und verließen den Steg. Wir beschlossen, auch aufzubrechen. Doch als wir den steilen Hang durch den Wald hinaufgeklettert waren und zu unseren Fahrrädern kamen, war niemand zu sehen. Wir wollten losfahren. »Oh ne, ich hab ’nen Platten!« »Echt. Oh, ich auch.« Bei allen Reifen waren die Ventile herausgedreht worden und verschwunden. Weg war auch die einzige Luftpumpe. »Diese blöden Kühe!« »So ein Scheiß, ich muss zum Handballtraining!« »Ja, und ich hab gleich noch meine Schwimmgruppe!« »Was sollen wir denn jetzt machen?« »Ey, da sind sie ja!« Da kamen die drei Mädchen in abgeschnittenen, ausgefransten Jeans und anderen T-Shirts, ihre Fahrräder schiebend den holprigen Weg entlang auf uns zu. Sie sahen in unsere Richtung, sprachen miteinander und schienen zu lächeln. Wir stellten uns auf den Weg. »Los, gebt uns unsere Ventile wieder!« »Was denn für Ventile?« »Tut nicht so blöd. Her mit der Luftpumpe und den Ventilen.« Sie schoben die Räder auf uns zu, drängelten sich an uns vorbei Richtung Straße. »Was sollen wir denn mit eurer Luftpumpe?« Ich sagte: »Unsere Reifen sind platt. Jemand hat die Luft rausgelassen und die Ventile geklaut.« Eines der Mädchen sah mich an und schon während sie antwortete, schon in diesem ersten Moment, irritierte mich etwas in ihrem Gesicht: »Also, wir waren das nicht. Wir haben wirklich Besseres zu tun.« »Erzählt keinen Mist. Wer soll das denn sonst gewesen sein?« »Also, wir nicht! Ventile aus Fahrrädern drehen, Mann, wie blöd ist das denn? Dürften wir vielleicht mal durch?« Sie schoben ihre Räder – alle drei hatten schwere schwarze Hollandräder – an uns vorbei. Sie waren schon aufgestiegen und fuhren an, stehend, da der Weg leicht bergauf ging, als mein Freund ihnen hinterherrief: »Ey, könnt ihr uns nicht ein Stückchen mitnehmen?« Wir rannten hinter ihnen her. Kürzten den Weg querfeldein durch den Raps ab. Kamen vor ihnen auf die Straße: »Bitte, ja, wir müssen alle in die Stadt!« »Sind doch nur fünf Kilometer!« »Fünf? Das sind mindestens zehn!« »Und wie soll das bitte schön gehen?« »Na, hinten drauf! Wartet ja, ey, das geht schon. Wir müssen nur schnell unser Zeug holen.« Die Mädchen waren unschlüssig. »Wir habens auch eilig!« »Dann fahren eben wir, und ihr sitzt hinten drauf!« »Na, schönen Dank!« »Wir sind gleich wieder da!« »Wir sind zu dritt, ihr zu viert! Ich hab das Gefühl, da bleibt einer über!« »Einer läuft nebenher und wir wechseln uns ab!« Wir sprangen wie die Rehe durch die Ackerfurchen zu unseren Rädern. Immer wieder wandten wir uns um, ob sie nicht doch einfach davonradeln würden. Doch sie standen auf der Straße und schienen tatsächlich zu warten. Während wir durch das Feld hoppelten, zischelten wir uns zu: »Ich nehm die mit der Fransenhose!« »Blödmann, die haben alle Fransenhosen!« »Na, die, die auf dem orangen Handtuch lag! Mit dem orangen Turban.« »Nee, mit der fahr ich!« »Ich will die mit dem Kirschturban!« »Also, ich renn aber nicht nebenher!« »Wir müssen uns doch eh abwechseln!« Als wir zurückkamen, waren wir uns immer noch nicht einig geworden. Die mit dem Kirschturban teilte uns ein: »Du fährst mit ihr. Du mit ihr und du mit mir. Und du läufst als Erster!« Unter den neidischen Blicken meiner Freunde setzte ich mich auf den Sattel des Mädchens, das auf dem orangefarbenen Handtuch gelegen hatte.
    So machten wir uns auf den Heimweg. Die ersten Meter versuchte sich das Mädchen hinter mir seitlich am Gepäckträger festzuhalten. Dann am Sattel und schließlich, ohne ein Wort zu sagen, legte sie mir die Hände auf die Hüften. Ich fuhr so schnell ich konnte, wollte nicht tauschen und auf gar keinen Fall neben den Fahrrädern herlaufen. Ich fragte: »Ich hab euch hier an unserem See noch nie gesehen.« Sie von hinten: »Wieso denn euer See?« »Na ja, wir sind total oft hier.« »Wir waren aber auch schön öfter

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