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Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Titel: Alle Toten fliegen hoch: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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da!« »Von welcher Schule seid ihr eigentlich?« »Von der Realschule.« »Von welcher?« »Bruno Lorenzen! Und ihr?« »Lornsenschule!« »Oha, Gymnasiasten!« Neben mir rannte der Freund heran, der gerade mit Laufen dran war. Außer Atem im Takt seiner klatschenden Sandalen hechelte er: »Ey … lass … uns … mal … tauschen … ich … kann … nicht … mehr …!« »Gleich ja, bis Neuberend noch!« »Neu…berend … spinnst … du …!« Ich trat stärker in die Pedale und hängte ihn ab. Er rief mir hinterher: »Ey, du Arsch, warte mal!« Ich fragte nach hinten über die Schulter: »Ihr wart ganz schön lange drin!« Nach einer Pause rief sie nach vorne: »Du schwimmst echt gut!« »Ja, findest du?« »Ja, wie du da bei uns vorbeigeschwommen bist. Nicht schlecht.« Meinte sie das ernst? Machte sie sich über mich lustig? Es klang ehrlich. »Ja, ich bin im Verein!« »Dreht ihr immer so durch, wenn ihr Mädchen seht?« Von hinten schloss ein anderes Gespann zu uns auf, kam auf unsere Höhe: »Ey, du musst jetzt mal wechseln. Jeder muss mal laufen. Der kotzt gleich, so fertig ist der!« »Ja, ja!«, rief ich rüber, »nur noch den Berg nach Neuberend runter.« Sie sagte: »Ich glaub, du musst jetzt mal anhalten, sonst werden deine Freunde noch sauer auf dich!« Ich wollte nicht. »Außerdem«, sagte sie, »krieg ich einen nassen Hintern, weil ich auf dem Handtuch sitze!« Ich hatte endlich die Kuppe erreicht, hinter der es hinabging. »Nur noch den Hügel runter, ja? Los gehts!« Ich trat ein paar Mal kräftig in die Pedale und stellte dann beide Füße in den Rahmen des Damenfahrrads. Wir wurden schneller. Da legte sie ihren Kopf auf meinen Rücken. Nahm ihre Hände von meinen Hüften und schlang sie ganz um mich. Um meinen Bauch. An diesem Hügel testeten wir jedes Mal, wessen Fahrrad die besten Kugellager hatte, am weitesten rollte, ohne zu treten. Dafür legten wir uns wie die Profiradrennfahrer weit nach vorne, machten den Rücken krumm, bogen den Kopf bis zum Lenker hinab. Doch jetzt, mit ihrer warmen Wange auf meinem Rücken, den Händen und Armen, die mich hielten, saß ich brav aufrecht da, hütete mich davor, das Geringste zu verändern. Unter uns auf dem Asphalt wechselten zuckend die Schatten der Bäume mit Sonnenflecken, und in der Luft hingen kühle Schneisen. Unser Schwung reichte weit. Dann wurde das Fahrrad langsamer, stand schon fast, wackelte, und ich stellte den Fuß auf die Straße. Sie blieb noch einen Moment so sitzen und stieg vom Gepäckträger ab. Die anderen kamen johlend den Hang hinuntergerollt. Kurz bevor sie uns erreichten, sagte sie: »Schön war das.« Ich nickte ihr zu. Was war nur so eigenartig in diesem Gesicht? Etwas stimmte da nicht, irritierte mich. Die anderen kamen. Wir setzten uns an den Straßenrand, tranken warmen Orangensaft und warteten auf den abgehängten Läufer. Er kam über den Hügel, warf einen gespenstisch langen Schatten. Die Mädchen lachten, riefen: »Hast es gleich geschafft.« Er war völlig durchgeschwitzt, wütend, ließ sich aber nichts anmerken. Wir wechselten. Jetzt war ich dran mit Laufen. Mit Genugtuung sah ich, dass das Mädchen ihrem neuen Chauffeur die Arme nicht so um die Taille schlang wie mir. Ich bekam Seitenstechen, behielt die beiden aber im Auge, bis wir die Stadt erreichten. Wir waren alle zu spät und trennten uns rasch.
    Ich ging zu dem Mädchen, fragte sie nach ihrem Namen, und wir verabredeten uns am nächsten Tag zum Eisessen. Ich wollte gerade gehen, da sagte sie: »Soll ich dir noch was zeigen?« Es war mir später oft wahnsinnig peinlich, wenn ich an diesen Moment zurückdachte, aber ich glaubte damals wirklich, dass sie ihre Brüste meinte. Dass sie an einer dicht befahrenen Kreuzung ihr T-Shirt lüften würde. Ich sagte: »Ja, klar, gerne!« Sie kniete sich auf die Straße und faltete das feuchte Handtuch auseinander. »Darfst du aber niemandem erzählen, dass ich dir das verraten habe. Meine Freundinnen killen mich. Versprochen?« »Ja, klar«, sagte ich, »versprochen!« »Hoch und heilig!« »Hoch und heilig!« Sie zog die letzte Handtuchecke beiseite: »Das hättest du nicht gedacht, was?« Da lagen acht Ventile und acht rote Ventilkappen! Mir fiel nichts Besseres ein als zu fragen: »Und wo ist die Pumpe?« »Die Pumpe haben wir in die Brombeeren geworfen!« »Na, besten Dank auch. Warum habt ihr das denn gemacht?« Sie strahlte mich an: »Bis morgen! Bei Venezia.« Ging ein Stück, drehte sich um: »Du hast es

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